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Genetische Studien Über Die Samenfarbe Bei Linum Usitatissimum Academic research paper on "Languages and literature"

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Academic research paper on topic "Genetische Studien Über Die Samenfarbe Bei Linum Usitatissimum"

GENETISCHE STUDIEN ÜBER DIE SAMENFARBE BEI LINUM USITATISSIMUM

VON TINE TAMMES GRONINGEN

IN den ältesten Kräuterbüchern und in den späteren systematischen Werken wird über die Farbe des Samens von Linum usitatissimum bloss angegeben, dass dieselbe braun ist. Nur Dodon^eus (1618, Kap. »Tarn Vlas-cruyt») erwähnt dabei den rötlichen Ton. Man darf also wohl annehmen, dass früher im allgemeinen nur der braune Leinsamen bekannt war. In späterer Zeit hat man auch Flachs mit hellgefärbtem Samen kennen gelernt und de Vbies (1901, S. 470) hat nachgewiesen, dass derselbe konstant ist. Bis jetzt habe ich in meinen Publikationen über den Genotypus von Linum usitatissimum nur den braunen Samen und zwei verschiedene hellgefärbte Samentypen, nämlich einen graugrünen und einen hellgelben erwähnt (Tammes 1922, S. 19).

Bei meinen Untersuchungen hat es sich aber ergeben, dass die Anzahl der Typen, welche sich in der Samenfarbe voneinander unterscheiden, nicht auf drei beschränkt ist, sondern dass eine sehr grosse Anzahl solcher Typen besteht. Bei den meisten derselben wird die Farbe des Samens nur durch die Samenhaut verursacht, bei den hellgefärbten aber ist die Samenhaut so durchsichtig, dass die Farbe der Kotyledonen die Farbe des Samens ganz oder teilweise bestimmt. Die sehr hell gefärbten Samen besitzen sogar eine vollkommen farblose, durchsichtige Samenhaut. Die Farbe der Kotyledonen variiert bei den verschiedenen Typen zwischen sehr hellgelb, fast weiss und dunkelgelb, während einige Typen Kotyledonen von zitronengelber Farbe besitzen.

Die Bestimmung vom Ton und von der Intensität der Farbe ist nicht immer leicht, weil verschiedene Umstände Einfluss darauf ausüben, wie z. B. die Witterungsverhältnisse. Da nicht alle Typen dafür gleich empfindlich sind, ist es für das Feststellen geringer genotypischer Unterschiede notwendig, über Samen von einigen Jahren zu verfügen. Ferner ist die Farbe in hohem Maasse von dem Grade der Reife abhängig. Beim Reifen geht die ursprünglich weisse Farbe allmählich in die definitive über, dabei fängt die Veränderung am schmalen Ende

genetische studien über die samenfarbe bei linum 11

des Samens an. In Bezug auf diese Änderung verhalten sich die verschiedenen Typen aber nicht gleich. Bei vielen braunsamigen Formen, wie beim blau- und weissblühenden Faserflachs der Praxis und beim gross-samigen ölflachs, erhalten Samen, welche noch ganz weiss aus der Frucht genommen werden, dennoch nach kurzer Zeit ihre normale Farbe. Das erklärt die uniforme Farbe der Handelssamen bei diesen Typen. Bei anderen Typen dagegen bleibt der unreif geerntete Samen heller gefärbt, bisweilen sogar mehrfarbig, weil die Spitze dunkler ist als der breite Teil. Ausser dieser Buntheit besteht eine genotypisch bedingte Buntheit, die auch bei vollständig reifen Samen vorkommt.

Obgleich mein genetisches Studium der in der Tat sehr grossen Anzahl von Farbentypen noch nicht abgeschlossen ist, will ich schon jetzt etwas von den erhaltenen Resultaten mitteilen.

Die verschieden gefärbten Samentypen sind in drei Gruppen zusammenzufassen.

Die erste Gruppe umfasst die Typen mit braunen Samen. Schon im Jahre 1866 erwähnt Alefeld (1866, S. 102) in seiner Beschreibung verschiedener Varietäten von Linum usitatissimum, dass die Farbe des Samens anders sein kann als die von ihm als normal braun angedeutete, nämlich etwas heller und1 auch wohl gelblicher. Weiter haben Gabrielle Howard und Abdur Rahman Khan (1924) wahrgenommen, dass bei dem indischen ölflachs Samen von verschiedener Intensität der braunen Farbe vorkommen, was nach diesen Forschern darauf hinweist, dass an dem Auftreten der dunkelsten braunen Samenfarbe mehrere Faktoren beteiligt sind. Ich selbst habe im Laufe der letzten zwanzig Jahre eine sehr grosse Anzahl verschiedener Flachstypen kennen gelernt, sowohl Typen von Faser- und von ölflachs, als auch solche, die von diesen beiden abweichen und weder für die Faser- noch für die ölgewinnung geeignet sind. Die Kultur aller dieser Formen hat gezeigt, dass die Anzahl der erblich verschiedenen braunen Samentypen gross ist und wenigsten 50 beträgt. Zwischen hell rehbraun und hell graubraun als hellstem und dunkelkastanienbraun mit dunkelbraun als dunkelstem gibt es viele verschiedene Töne und Intensitäten der braünen Farbe. Die Unterschiede sind oft so gering, dass dieselben erst nach mehrjährigem Vergleich festgestellt werden konnten.

In Bezug auf die genotypische Grundlage der Unterschiede innerhalb dieser Gruppe kann ich jetzt nur mitteilen, dass es sich in einigen Fällen um multiple Allelomorphen, in anderen um polymere Faktoren handelt.

Die zweite Gruppe umfasst eine Serie von Typen mit einer Samenfarbe, welche zwischen sehr hellgelb und tief dunkelbraun, fast schwarz, variiert. Es kommen darunter Typen mit bräunlichgelben Samen oder mit gelbbraunen, hellbraunen, graubraunen oder dunkelbraunen vor. Hieher gehören auch verschiedene Typen mit bunten Samen, deren Farbentöne aber mit den genannten übereinstimmen. Wie man sieht, kommen in dieser Gruppe viele braunsamige Typen vor. Obgleich diese, was die Intensität der Farbe betrifft, mit den Samentypen der ersten Gruppe zu vergleichen sind, so sind sie aber bei genauer Betrachtung stets von denselben zu unterscheiden. Die helleren Typen der zweiten Gruppe zeigen gelbliche Töne, die bei der ersten Gruppe nicht vorkommen, während bei den dunkleren Farben der für viele Typen der ersten Gruppe charakteristische rötliche Ton fehlt.

Um die verschiedenen Typen einigermassen andeuten zu können, habe ich die Intensität der Farbe geschätzt und in Ziffern von 1 bis 9 ausgedrückt. Der sehr hellgelbe Samen ist 1, ferner stimmen 5, 6 und 7 in der Intensität ungefähr mit der ersten Gruppe überein, 8 und 9 aber sind bedeutend dunkler als die dunkelsten davon. Die bunten Samen ziehe ich hier und im folgenden nicht in Betracht.

Die dritte Gruppe umfasst ebenfalls eine Serie von Farbentypen; wie bei der zweiten Gruppe mit sehr hellgelb anfangend bis fast schwarz. Sie unterscheidet sich von der vorigen Gruppe dadurch, dass alle Farbentypen, ausser dem sehr hellgelben einen mehr oder weniger ausgesprochenen graugrünen Ton besitzen. Auch in dieser Gruppe gibt es braune Samentypen, die fast ganz mit Typen der ersten Gruppe übereinstimmen, weil der grüne Ton der ersteren sehr wenig auffällt. Früher habe ich keine verschiedenen braunen Samentypen unterschieden, weil ich damals von der zweiten und dritten Gruppe nur je eine einzige Form besass, die der ersten Gruppe sehr ähnlich war. Und weil ich zu jener Zeit die beiden Serien noch nicht kannte, schenkte ich den sehr kleinen Unterschieden noch keine Aufmerksamkeit.

Zwischen den drei Gruppen der Samenfarben und den verschiedenen beim Lein vorkommenden Blütenfarben besteht ein gewisser Zusammenhang. Für einen einzigen Typus aus jeder der drei Gruppen habe ich das schon früher nachgewiesen. Wie verhalten sich nun die gesamten Gruppen in dieser Hinsicht? Alle Individuen der ersten Gruppe haben blaue, lila oder weisse Blüten, letztere mit normal flachen Blütenblättern und blauen Staubblättern. Aus meinen Unter-

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suchungen über die Faktoren für die Blütenfarbe dieser verschiedenen Formen geht hervor, dass sie alle die früher mit ß1 und D angedeuteten Faktoren besitzen \ Fehlt einer oder fehlen beide Faktoren, so ist nun nicht nur die Farbe der Blüte, oder bei der weissblütigen die Farbe der Staubblätter eine andere, sondern zugleich ist auch die Farbe des Samens nicht mehr die braune der ersten Gruppe.

Pflanzen mit zur zweiten Gruppe gehörigem Samen haben rosafarbige Blüten oder weisse mit flachen Blütenblättern und gelben Staubblättern und zwar unter den genotypisch verschiedenen Formen der letzteren, diejenige, wo der Faktor D fehlt. Weil D auch bei den rosablühenden Individuen fehlt, ist das Fehlen dieses Faktors für die zweite Gruppe charakteristisch und das gilt auch für die Farbe des Samens, denn ist D vorhanden, so ist dieselbe eine andere.

Die dritte Gruppe umfasst nur weissblühende Individuen mit gelben Staubblättern und entweder flachen oder gekräuselten Blütenblättern. Obgleich von verschiedener genotypischer Zusammensetzung ist allen das Fehlen des Faktors B1 gemeinsam und auch hier gilt es, dass wenn dies nicht der Fall und der Faktor B1 wohl vorhanden ist, die Samen auch nicht die Farbe der dritten Gruppe zeigen.

Nun gibt es noch eine vierte Möglichkeit in Bezug auf das Vorkommen oder Fehlen der Faktoren B1 und D nämlich, dass beide zugleich fehlen. Solche Pflanzen haben weisse Blüten und gehören, was die Samenfarbe betrifft, zur dritten Gruppe.

Es geht aus dem Gesagten hervor, dass das etwaige Vorhandensein der Faktoren B1 und D bestimmt, zu welcher der drei Gruppen von Farbentypen eine Pflanze gehört.

Innerhalb dieser Gruppen, zumal der zweiten und der dritten, kommen so grosse Unterschiede vor, dass es von Bedeutung ist, die genotypische Grundlage dieser Unterschiede zu studieren. Verschiedene Kreuzungen lehrten schon etwas in dieser Richtung. Ich will hier nur einige derselben kurz besprechen. Erstens die Kreuzung zwischen einer blaublühenden Pflanze mit braunen Samen der ersten Gruppe und einer rosablühenden Pflanze der zweiten Gruppe mit sehr hellgelben Samen, deren Samenhaut vollkommen farblos war. Fi war blaublühend mit braunen Samen der ersten Gruppe. In F2 trat wie zu erwarten war monohybride Spaltung auf für die Blütenfarbe in

1 Kappert (1924, S. 434) hat nachgewiesen, dass anstatt eines einzigen, von mir mit Bl angedeuteten Faktors, zwei Faktoren vorkommen. Ich werde hier aber mein Symbol beibehalten, weil mir die Form, welche es Kappert ermöglichte die genotypische Analyse weiterzuführen, nicht zur Verfügung stand.

blau und rosa. Alle die blaublühenden Pflanzen hatten braune Samen der ersten Gruppe, die rosablühenden aber nicht alle hellgelbe Samen; im Gegenteil kam die ganze Serie der zweiten Gruppe von hellgelb bis fast schwarz vor. Daraus geht hervor, dass durch die Kreuzung in der rosablühenden Form ein oder mehrere Faktoren eingeführt worden sind, die in dieser sogar fast schwarze Samenfarbe hervorrufen können. Man würde dazu neigen anzunehmen, die rosablühende Form habe durch die Kreuzung von der anderen P-Form einen Grundfaktor erhalten. Das kann aber nicht der Fall sein, den es müssten dann auch blaublühende F2-Individuen mit farbloser Samenhaut auftreten und solche kommen hier nicht vor, obgleich dieselben wohl bestehen. Die hell-samige P-Form hat also, ebenso wie die braunsamige den Grundfaktor für die Samenfarbe. Die Art des betreffenden Faktors muss somit eine andere sein.

Das Studium der Fa, F3 und F4 gab hierüber Aufklärung. Wie gesagt bildete die Samenfarbe der rosablühenden F2-Pflanzen eine Serie von sehr hellgelb bis fast schwarz. Eine Einteilung dieser Serie in gut getrennte Gruppen war unmöglich; auffallend war aber, dass von den hellsten Typen relativ wenig Individuen vorkamen. Die Fä aus F2-Pflanzen gezüchtet die zusammen die ganze Serie von Samentypen vergegenwärtigten ergab, dass einige F2-Pflanzen homozygotisch, die meisten aber heterozygotisch waren. Unter den mittleren F2-Samen-typen kamen die meisten Heterozygoten vor, und diese spalteten am stärksten; die hellsten und die dunkelsten Typen waren meist konstant. Helle Typen hatten nur helle oder etwas weniger helle Nachkommen; unter den Nachkommen der dunklen Typen kamen aber wohl helle vor. In F4 wiederholten sich die bei der Fs beobachteten Erscheinungen.

Das beschriebene Verhalten deutet darauf hin, dass es sich hier um polymere Faktoren handelt und aus Beobachtungen, die ich hier der Kürze wegen nicht anführen kann, glaube ich schliessen zu können, dass es wahrscheinlich zwei sind. Ist diese Annahme richtig, so müssen bei den in F2 auftretenden Individuen mit Samenfarbe der ersten Gruppe ebenfalls alle möglichen Fälle vom Fehlen bis zum vollständig homozygotischen Vorhandensein der polymeren Faktoren vorkommen. In der Tat ist die braune Farbe dieser Individuen nicht einheitlich, sondern variiert zwischen hell rehbraun und dem kastanienbraun der P-Form. Die von den Faktoren B1 und D zusammen hervorgerufene braune Samenfarbe wird also durch die polymeren Faktoren nur wenig beeinflusst. Fehlt aber D, so liegt die Sache ganz anders. In diesem

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Falle ist das Auftreten von Farbe vom Vorhandensein eines oder mehrerer polymeren Faktoren abhängig und beim Fehlen der polymeren Faktoren tritt, auch wenn der Grundfaktor vorhanden ist, keine Samenfarbe auf.

Ebenfalls in Übereinstimmung mit der Annahme von polymeren Faktoren sind die Resultate einer Kreuzung zwischen einer Form mit einem der hellsten braunen Farbentypen der ersten Gruppe und einer rosablühenden mit Samen der zweiten Gruppe von ungefähr mittlerer Intensität. In der zweiten Generation traten ausser braunen Samentypen der ersten Gruppe und Pflanzen mit Samen der zweiten Gruppe von mittlerer Intensität auch Individuen mit sehr hellgelben Samen auf. Die dunkelsten Samentypen der zweiten Gruppe fehlten ganz. Dass in F2 wohl hellere aber keine dunkleren Typen als die P-Formen auftraten, lässt sich wohl am besten dadurch erklären, dass die zur ersten Gruppe gehörende P-Form gar keine der polymeren Faktoren besass, während in der anderen nur ein einziger derselben vorkam.

Auch die Resultate der folgenden Kreuzung bestätigen die Richtigkeit der Annahme von polymeren Faktoren. Dieselbe zur zweiten Gruppe gehörende Form mit Samen von etwa mittlerer Intensität, die nach dem oben Gesagten nur einen der polymeren Faktoren besitzen sollte, wurde gekreuzt mit der auch in der ersten Kreuzung benutzten Form der ersten Gruppe. Diese letztere würde nach obiger Auffassung alle die polymeren Faktoren besitzen. In F2 traten nur die dunkleren Samentypen von mittlerer Intensität bis schwarz auf, die helleren und hellsten Typen fehlten ganz.

Bei Kreuzung mit Formen der dritten Gruppe von Farbentypen des Samens traten verwickelte Verhältnisse auf, die ich noch nicht ganz klar gelegt habe. Zu meinen Bedauern gestattet der Raum mir nicht, über dasjenige, was mir schon bekannt geworden ist, etwas mitzuteilen. Nur will ich erwähnen, dass auch bei dieser Gruppe die Abstufungen der Farbe vom etwaigen Vorhandensein polymerer Faktoren abhängig ist.

Zusammenfassend haben die hier beschriebenen Beobachtungen also ergeben, dass es eine grosse Anzahl erblich verschiedener Typen der Samenfarbe gibt und dass an der Hervorrufung derselben dreierlei Faktoren beteiligt sind: erstens ein Grundfaktor, zweitens Faktoren, die den Ton der Farbe bedingen und zugleich die Blütenfarbe beeinflussen, und drittens einige, wahrscheinlich zwei polymere Faktoren, welche die Intensität der Farbe bestimmen.

Groningen, am 23. Mai, 1926.

ZITIERTE LITERATUR.

1. Alefeld, Fa. 1866. Landw. Flora. Berlin.

2. Dodon^us, R. 1618. Cruydt-Boek. Leyden.

3. Howard, Gabrielle L. C. und Abdur Rahman Khan. 1924. Studies in Indian

oil seeds. No. 2, Linseed. Memoirs of the Dep. of Agric. in India. Vol. XII, No. 4.

4. Kappert, H. 1924. Erblichkeitsuntersuchungen an weissblühenden Leinsippen.

Ber. d. Deutsch. Bot. Ges.

5. Tammes, T. 1922. Genetic analysis, schemes of co-operation and multiple

allelomorphs of Linum usitatissimum. Journ. of Genetics. Vol. XIII.

6. de Vries, H. 1901. Die Mutationstheorie. I. Leipzig.