Scholarly article on topic 'ÜBER TETRAPLOIDIE DER BINDE- UND FETTGEWEBE BEI DEN ODONATEN EIN BEITRAG ZUR KENNTNIS DER SOG. SOMATISCHEN POLYPLOIDIE DER INSEKTEN'

ÜBER TETRAPLOIDIE DER BINDE- UND FETTGEWEBE BEI DEN ODONATEN EIN BEITRAG ZUR KENNTNIS DER SOG. SOMATISCHEN POLYPLOIDIE DER INSEKTEN Academic research paper on "Sociology"

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Academic research paper on topic "ÜBER TETRAPLOIDIE DER BINDE- UND FETTGEWEBE BEI DEN ODONATEN EIN BEITRAG ZUR KENNTNIS DER SOG. SOMATISCHEN POLYPLOIDIE DER INSEKTEN"

ÜBER TETRAPLOIDIE DER BINDE- UND FETTGEWEBE BEI DEN ODONATEN

EIN BEITRAG ZUR KENNTNIS DER SOG. SOMATISCHEN POLYPLOIDIE DER INSEKTEN

von TARVO OKSALA

genetisches institut der universität helsinki, finnland

EINLEITUNG.

FÄLLE, in denen die somatischen Zellen eine höhere Chromosomenzahl zeigen als die diploide — hierbei kommen gewöhnlich die von dieser ableitbaren sukzessiven Duplikationen in Frage, also tetraploide, oktoploide usw. Chromosomenzahlen — kennt man sowohl bei den Pflanzen als auch recht häufig bei den Insekten (Wilson, 1925). Besonders bezüglich der Dipteren werden darüber in der Literatur Angaben gefunden (z. B. Metz, 1916 und 1922). In jenen Fällen handelt es sich jedoch im allgemeinen — wenigstens ist die Sache von den betr. Forschern so aufgefasst worden — nur um einzelne solche Zellen oder kleine Zellengruppen, also auf jeden Fall um lokal recht begrenzte polyploide Körperteile.

Besonders in den letzten Jahren, zum Teil aber auch schon früher, hat sich jedoch verschiedenerseits der Nachweis erbringen lassen, dass diese sog. somatische Polyploidie bei manchen Pflanzen und Tieren auch als völlig regelmässige Erscheinung auftreten kann und dass sie für gewisse Organe und Gewebe sogar charakteristisch ist.

Der Begriff der somatischen Polyploidie schliesst in seinen Einzelheiten relativ verschiedene Erscheinungen in sich ein. Zur Erlangung nötiger Klarheit dürfte es daher angebracht sein, die bis jetzt klargelegten Fälle in bestimmte Kategorien einzuteilen. Dabei übergehe ich jedoch die bei pflanzlichen Objekten konstatierten Fälle völlig und beschränke mich lediglich auf die somatische Polyploidie im Tierreich (bis auf weiteres nur bei den Insekten festgestellt). Diese letzteren Fälle habe ich in drei Gruppen eingeteilt.

1. Zur ersten Gruppe gehören die von Geitler (1937, 1938 a und b) vor kurzem eingehend analysierten Fälle bei den Heteropteren (besonders Gerris lateralis) und den Dipteren (Simulium). Er hat in recht verschiedenartigen Geweben (Malpighischen Gefässen, Fettkör-

pern, Tracheenepithel, Speicheldrüsen usw.) Polyploidie, zum Teil sogar eine sehr hochgradige, festgestellt. Der jeweilige Grad der Polyploidie hat sich dabei bei gewissen Heteropteren auf Grund der Zahl der auch im Ruhekern heterochromatischen X-Chromosomen bestimmen lassen. Die Polyploidie ist sehr verschiedengradig, von tetra-ploiden Fällen bis zu den 1024- und 2048-ploiden Speicheldrüsenzellen (Gerris lateralis):

Solche Fälle, obwohl erst jetzt an günstigen Objekten eingehend analysiert, sind jedoch an sich nichts neues. Sie dürften jedem bekannt sein, der auch nur vorübergehend verschiedene Insektengewebe im Mikroskop betrachtet hat. Dabei sieht man nämlich hin und wieder solche grosse Drüsen- u. a. Zellen, die ganz offenbar polyploid sind, über deren Kernstruktur und Polyploidiestufe es jedoch gewöhnlich unmöglich ist exakt ins Klare zu kommen. — In die gleiche Kategorie fallen, wie Geitler ausdrücklich bemerkt, auch die Speicheldrüsenzellen der Dipteren mit ihren Riesenchromosomen, wo jedoch die für die Dipteren kennzeichnende somatische Konjugation alle Schwesterchromosomen zu je ihrem Bündel vereinigt hat.

Geitler führt als wahrscheinlichste Entstehungsweise dieser poly-ploiden Zellen die sogenannte innere Teilung der Chromosomen an, wie sie u. a. von G. Hertwig schon früher (1935) als theoretische Möglichkeit angeführt wurde. Dies bedeutet, dass die Teilung der Chromosomen ohne Spindelbildung fortläuft, sodass Zelle und Kern selbst ungeteilt bleiben, statt dessen aber Hand in Hand mit der rhytmischen Teilung der Chromosomen an Grösse zunehmen. Völlig entsprechend ist im Prinzip auch die Entstehung der Riesenchromosomen der Dipteren, so wie sie heute aufgefasst wird (z. B. Bauer, 1935; Painter and Griffen, 1937).

Charakteristisch für die polyploiden Zellen dieser Gruppe ist also, dass bei ihnen im allgemeinen jegliche Zellteilung ausbleibt. Geitler (1938 a) erwähnt auch bei seinen Objekten fast ausschliesslich diploide, nur gelegentlich wohl auch tetraploide und oktoploide Mitosen angetroffen zu haben.

2. Einen zweiten, sich dem vorigen allerdings eng anschliessenden Typ somatischer Polyploidie hat Berger (1936, 1937, 1938 a und b) in den Zellen des Hinterdarmepithels der Larve von Culex gefunden. Während des ganzen Larvenstadiums tritt in diesen Zellen keine einzige Mitose ein. Die Zellen wachsen nur unablässig an und die Chromosomen unterliegen, wie Berger mit Recht annimmt, einer fortgesetzten inneren Teilung. Insofern weicht dieser Fall in keiner Hinsicht

vom vorhergehenden ab. Ein Unterschied besteht nur darin, dass die erwähnten Epithelzellen auch in der polyploiden Stufe ihr Teilungsvermögen beibehalten haben. Dies tritt zutage im Puppenstadium, während dessen sich diese Zellen in rascher Folge mehrmals nacheinander teilen. Diese Teilungen sind ausserdem insofern besonders interessant, als bei jeder von ihnen eine somatische Reduktion erfolgt, sodass man schliesslich wieder bei di- und tetraploiden Zellen anlangt. — Die gleiche Erscheinung hat später Berger (1938 c und d) auch bei zahlreichen anderen Dipterenarten gefunden.

3. Einen dritten Typ von somatischer Polyploidie beschrieb zuerst Frolowa (1926 und 1929). Sie untersuchte die somatischen Chromosomengarnituren bei 8 Drosophila-Avten und 9 anderen Dipteren (aus 5 verschiedenen Familien) und fand dabei, dass das Tracheengewebe durch die ganze Gruppe tetraploid, die Rektaldrüsen wiederum durchgehends oktoploid sind. Ausserdem scheint die Hypodermis der Myceto-philiden tetraploid zu sein. Gegenüber den vorhergehenden Typen ist für diese Fälle charakteristisch, dass sich die Zellen in den erwähnten polyploiden Geweben nebst den Chromosomen normal (mitotisch) teilen und so ständig die gleiche für das betr. Gewebe typische Poly-ploiöiestufe bewahren. Den Ursprung dieser von ihr konstatierten Erscheinung hat Frolowa nicht klargelegt, sondern begnügt sich lediglich mit einem Hinweis auf ein paar Möglichkeiten. — In die gleiche Kategorie gehört m. E. auch der von Sanderson (1932) nebenbei bei Pteronidea ribesii (Tenthredinidae) beschriebene Fall: die Hypodermis ist tetraploid, die Fettzellen und die Oenozyten wiederum 16-ploid.

DIE TETRAPLOIDEN GEWEBE BEI DEN ODONATEN.

Das Material, in dem die tetraploiden Gewebe der Odonaten gefunden wurden, sollte eigentlich ursprünglich einem ganz anderen Zweck als der Untersuchung der somatischen Polyploidie, und zwar einer systematischen Klarlegung der Chromosomenverhältnisse bei den Odonaten dienen, einer Arbeit, deren Resultate demnächst zur Veröffentlichung gelangen werden. So sind auch Gewebe, in denen Tetra-ploidie festgestellt wurde, nur zufällig in die Präparate geraten, indem sie —• unabsichtlich — zusammen mit den Ovarien fixiert wurden; dagegen Hessen sich die Hoden frei von jeglichen fremden Geweben fixieren. Daher kommt es, dass gerade die in Verbindung mit den Ovarien stehenden Gewebe in erster Hand zur Beobachtung gelangten.

Fig. 1. Cordulegaster annulatus Latr. Schnitt durch das Ovarium einer jungen Imago. Links der Eierkelch. Rechts erkennt man das die Eier umgebende (diploide) Follikelepithel. In der Mitte in Umrahmung das tetra-ploide Bindegewebe.

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Fig. 2. Libellula quadrimaculata L. Schnitt durch das Ovarium einer jungen Imago. Links von Follikelzellen umgebene, durchschnittene Eier. Rechts vom Schnitt getroffene Proximalteile der Ovariolen, umgeben von (grosszelligem) tetraploidem Bindegewebe.

— Die Fixierung erfolgte mit dem Gemisch von Carnoy (6:3:1) und die Färbung nach dem Eisenhämatoxylin-Verfahren von Heidenhain.

In einem jungen Odonatenovarium (im Larvenstadium) bemerkt man neben den Ovogonien und den im Wachstum begriffenen Ovozyten drei somatische Gewebe, nämlich das (schwach entwickelte) Peritonealepithel, das Eierkelchgewebe und das Follikelepithel. Alle diese sind aus recht gleichartigen Zellen zusammengesetzt, die auch einen gemeinsamen Ursprung besitzen. Bei jungen Imagines und vielleicht auch schon bei den älteren Larven findet sich im Anschluss an das Ovarium auch eine andere Gewebeart, die man dann die ganze Imago-zeit hindurch oft selbst in sehr reichlicher Ausbildung feststellen kann. Es ist ein typisches Bindegewebe (Fig. 1 und 2) und gehört mithin

natürlich nicht zum Ovarium; sein konstantes Auftreten bei zahlreichen Arten der ganzen Gruppe ist aber geeignet, Aufmerksamkeit zu erwecken. Die Lage dieses Bindegewebes im Ovarium ist genau fixiert. Es umgibt nämlich den Eierkelch (Fig. 1) und bekleidet somit auch die proximalen Teile der Eiröhren (Fig. 2) unter Ausfüllung der Zwischen-^ ■ * _ 1 räume derselben. Dagegen streckt es

sich nicht bis zu den distaleren Teilen Fig. 3. Aeschna crenata Hag. der Ovariolen.

Tetraploide Metaphasenplatte aus Eine besondere Beachtung verdient dem Bindegewebe. °

das erwähnte Gewebe, da es sich durchweg als tetraploid erwiesen hat. Eine deutlich oder auch nur wahrscheinlich diploide Metaphasenplatte ist in demselben kein einzigesmal beobachtet worden, sondern sämtliche Mitosen, die man in diesem besonders bei jungen Imagines oft in lebhafter Teilung begriffenen Gewebe stellenweise sogar reichlich gewahrt, sind tetraploid (Fig. 3 und 4). Die Chromosomenzahl lässt sich indessen nur äusserst selten, wenn die Fixierung besonders gut ausgefallen und der Schnitt glücklich geführt ist, völlig exakt bestimmen. In der Tat ist dies auch nur bei einer einzigen Art, nämlich bei Cordulegaster annulatus (Fig. 4 und 6) gelungen. Bei ihr hat sich die Zahl 52 exakt feststellen lassen, die völlig im Einklang mit der haploiden Chromosomenzahl 13 dieser Art steht. In unzähligen Fällen ist es dagegen leicht gewesen zu konstatieren, dass die Chromosomenzahl in den Mitosen dieses Zellgewebes ungefähr der tetraploiden entspricht. So kann man oft feststellen, dass die

Chromosomen in einer Zahl von etwas über 50 vorhanden sind; bei Arten mit der haploiden Chromosomenzahl 14, wie bei Aeschna crenata (Fig. 3), findet man sie stets etwas reichlicher vor als bei denjenigen, deren haploide Chromosomengarnitur 13 Chromosomen zählt (z. B.

Fig. 4 und 5. Cordulegaster annulatus Latr. — Fig. 4. Tetraploide Metaphasen-platte aus dem Bindegewebe. — Fig. 5. Diploide Metaphase einer FollikelzelJe.

Fig. 6 und 7. Cordulegaster annulatus Latr. Die gleichen Zellen wie in Fig. 4 und 5. In Fig. 7 gewahrt man zwei kleine Chromosomen (die Mikrochromosomen);

in Fig. 6 ist ihre Zahl 4.

Cordulegaster, Fig. 4). Schon beim ersten Blick auf die Platte wird man von dieser Tetraploidie überzeugt, insbesondere da gewöhnlich diploide Follikelmitosen gleich nebenan als geeignete Vergleichsobjekte zu sehen sind (Fig. 4—7). Auch dann, wenn im Bindegewebe keine

Mitosen zum Vorschein treten, hebt es sich von den übrigen Gewebearten distinkt durch sein abweichendes Aussehen wie auch dadurch ab, dass seine Zellen z. B. im Vergleich zu den Follikelzellen eine beträchtliche Grösse besitzen (Fig. 1 und 2).

Mit völliger Sicherheit wurde die Tetraploidie dieses ovarialen Bindegewebes bei folgenden Arten festgestellt: Enallagma cyathigerum Charp., Erythromma najas Hansem., Cordulegaster annulatus Latr., Aeschna subarctica eüsabethae Djak., Ae. juncea L., Ae. crenata Hag.,

Fig. 8. Aeschna crenata Hag. In der Mitte (dunkler) junges, teilungsfähiges Fettgewebe, umgeben vom fertigen Fettkörper.

Ae. grandis L., Libellula quadrimaculata L. und Leucorrhinia rubicunda L. Ausserdem liegen Präparate von 6 anderen Arten vor, bezüglich deren das Material knapp oder schlecht fixiert ist, sodass sich keine deutlichen Mitosefiguren ergeben haben. Das fragliche Gewebe ist jedoch auch bei diesen Arten habituell den vorigen völlig ähnlich, weshalb es sicher sein dürfte, dass auch bei diesen Tetraploidie des Bindegewebes besteht. Diese Arten sind: Calopteryx virgo L., Ischnura elegans v. d. Lind., Agrion armatum Charp., Cordulia aenea L„ Orthetrum cancellatum L. und Leucorrhinia dubia v. d. Lind.

Diese insgesamt 15 Arten vertreten folgende Familien und Unterfamilien: Calopterygidae, Agrionidae, Cordulegasteridae, Aeschnidae,

Cordulinae und Libellulinae, Dies zeigt, dass die Tetraploidie des ovarialen Bindegewebes eine im Kreise der Odonaten weit verbreitete Erscheinung darstellt, und es liegt m. E. genug Grund zur Annahme vor, dass sie für die ganze Gruppe charakteristisch ist.

Wie aber leicht zu erraten, ist diese Erscheinung nicht allein auf das erwähnte Gewebe begrenzt. Wenigstens bei Cordulegaster und Libellula, offenbar aber auch bei einigen anderen Arten, hat sich nämlich das die Tracheengefässe begleitende Bindegewebe ebenfalls als tetraploid erwiesen. Seiner Beschaffenheit nach gleicht dieses Gewebe dem ovarialen und schliesst sich auch unmittelbar diesem an. Wenn neben den Ovarien auch andere innere Organe oder deren Teile (z. B. des Darms) zur Fixierung gelangten, wurde auch das anschliessende Bindegewebe als tetraploid gefunden (besonders deutlich z. B. bei Libellula). Es dürfte daher als sicher angesehen werden können, dass bei den Odonaten das sich den inneren Organen anschliessende und diese verbindende Bindegewebe regelmässig und in seiner Gesamtheit tetraploid ist.

Ausser diesen hat sich bei den Odonaten auch eine andere Gewebeart als tetraploid erwiesen, nämlich das Fettgewebe. Am deutlichsten ist mir diese Erscheinung bei den Aeschna-Arten begegnet. Nachstehend werden die bei Aeschna crenata festgestellten Verhältnisse beschrieben.

Von dem an verschiedenen Stellen der Leibeshöhle (Haemocoel) auftretenden Fettgewebe gerät ein Teil bei der Fixierung der Ovarien leicht in das Präparat. Der grösste Teil eines solchen Fettkörpers besteht aus typischem Fettgewebe (Fig. 8), dessen Zellen von grossen Fett-kügelchen angefüllt sind. Mitosen sieht man in einem solchen Gewebe überhaupt nicht. Ein recht kleiner Teil des Fettkörpers weicht dagegen wesentlich vom übrigen Gewebe ab und ist verhältnismässig leicht von diesem abzugrenzen (Fig. 8). Sein Aussehen ist ein anderes, die Zellen enthalten bei weitem nicht so viel Fett wie die typischen Fettzellen und sind ausserdem teilungsfähig. Das Wichtigste an diesem Gewebe ist aber, dass man hier in reichlicher Zahl Mitosen gewahrt, die ohne Ausnahme tetraploid sind. Fig. 9 zeigt eine solche Prophase. Die Beziehung dieses Gewebes zum fertigen Fettgewebe ist

Fig. 9. Aeschna crenata Hag. Tetraploide Prophase aus jungem Fettgewebe.

m. E. nicht schwierig zu ergründen. Es handelt sich hier augenscheinlich um ein ganz junges Fettgewebe, dass noch relativ undifferenziert und teilungsfähig als eine Art Muttergewebe fungiert.

Die Tjetraploidie des fraglichen Gewebes ist völlig unbestreitbar auch bei Ae. subarctica elisabethcie und Ae. juncea festgestellt worden.

Ob im fertigen Fettgewebe später noch möglicherweise eine innere Teilung der Chromosomen stattfindet, als Folge deren die Zellen eine noch höhere Polyploidie erlangen, wie Geitler bei seinen Objekten gefunden hat, geht aus den Präparaten nicht hervor. Eine Fusion der Zellen, wie sie Eilers (1925) beim Fettgewebe der Coleopteren festgestellt hat, habe ich nicht beobachten können.

Aus dem Obigen geht also hervor, dass bei den Odonaten das sich den inneren Organen anschliessende Binde- und Füllgewebe ebenso wie der Fettkörper tetraploid sind. Nun ist es wichtig zu bemerken, dass diese beiden Gewebearten hinsichtlich ihres Ursprungs einander nahe stehen. Soweit nämlich aus den einschlägigen Handbüchern (z. B. Deegener, 1928) zu ersehen ist, sollte das Fettgewebe letzterhand gerade vom ursprünglichen mesodermalen Bindegewebe herstammen. Die in beiden Geweben festgestellte Tetraploidie bekräftigt ihrerseits diese Auffassung und deutet zugleich darauf hin, dass der Prozess, durch den das di-ploide Gewebe tetraploid geworden ist, verhältnismässig früh, wahrscheinlich schon vor der Differenzierung der erwähnten Gewebe stattgefunden hat.

Ob bei den Odonaten möglicherweise auch noch andere tetraploide oder sonst polyploide Gewebe vorhanden sind, dürfte wohl auch durch fortgesetzte Untersuchungen nicht leicht nachweisbar sein. Die für diese Gruppe typische Hemimetabolie verursacht nämlich, dass eine der Histolyse der larvalen Gewebe folgende rasche Gewebeneubildung und also solche »Mitoseepidemien», die für holometabole Insekten typisch sind, im allgemeinen nicht vorkommen.

Wir kommen dann zur Frage, in welcher Weise die Verwandlung des diploiden Gewebes, das natürlich den Ausgangspunkt gebildet hat, zum tetraploiden erfolgt ist. Die Entstehung der polyploiden Zellen ist schon von altersher in zweierlei Weise erklärt worden, nämlich 1) durch Zellen- und Kernfusion und 2) durch Restitutionskernbildung (regelmässige mitotische Teilung der Chromosomen bei ausbleibender Kernteilung). In letzter Zeit ist auch eine dritte Möglichkeit herangezogen worden, nämlich die innere Teilung der Chromosomen, von der schon

vorhin die Rede war. Von diesen Erklärungsweisen hat sich die letztgenannte äusserst brauchbar erwiesen. In sämtlichen neueren sich mit der somatischen Polyploidie befassenden Untersuchungen (Berger, Geitler, Lorz) ist sehr wahrscheinlich gemacht worden, dass gerade die innere Teilung der Chromosomen — wenn auch je nach dem jeweilig vorliegenden Fall einigermassen verschieden — die Ursache der Erscheinung ist. Frolowa lässt die Frage offen und stellt lediglich fest, dass eine Fusion nicht in Frage kommen dürfte.

Was die Odonaten anbelangt, ist zu sagen, dass jegliche direkte Beobachtungen in dieser Hinsicht fehlen. Statt dessen möchte ich einen Gesichtspunkt erwähnen, der gegen die zwei ersteren Möglichkeiten spricht und also auch hier die innere Teilung am wahrscheinlichsten hervortreten lässt. Es möge nämlich eine solche tetraploide Zelle entweder durch Fusion oder durch Restitutionskernbildung entstanden sein, stets muss in der so entstandenen Zelle eine überzählige Zentriole zu; finden sein. Nun hat dies zur Folge, dass es in der folgenden Mitose zur Bildung anomaler multipolarer Teilungsfiguren kommen muss, wie es bei den in gewissen Insektengruppen recht oft anzutreffenden und aller Wahrscheinlichkeit nach gerade durch Restitutionskernbildung hervorgegangenen polyploiden Spermatozyten der Fall ist. Mitunter begegnet man ihnen auch in somatischen Mitosen (z. B. Geitler, 1938 a). Nun ist es klar, dass ein solcher Vorgang nicht zur Entstehung eines normalen, sich bipolar teilenden tetraploiden Gewebes führen kann, wie die in diesem Aufsatz behandelten Binde- und Fettgewebe es immerhin sind. Die natürlichste Erklärung bietet uns mithin auch in diesem Fall die innere Teilung der Chromosomen. Die Sache dürfte also so aufzufassen sein, dass in irgendeiner Phase der ontogenetischen Entwicklung bestimmte Faktoren im betreffenden Gewebe eine Teilung der Chromosomen ohne den typischen mitotischen Prozess zustandegebracht haben, dass aber die so entstandenen tetraploiden Zellen dann wieder unter Bildung eines tetraploiden Gewebes sich normal zu teilen begonnen haben.

Diese bei den Odonaten festgestellten Fälle gehören ganz deutlich zum letzten der eingangs erwähnten Typen von somatischer Polyploidie. Sie ähneln ja in vielen Beziehungen den von Frolowa untersuchten Fällen bei den Dipteren. Typisch für beide sind ein im ganzen Gewebe konstanter, verhältnismässig niedriger Grad von Polyploidie ebenso wie eine völlig normale mitotische Zellteilung. In diesen Punkten unterscheiden sie sich scharf von den von Geitler behandelten Fällen, in denen es sich um eine hohe, teilweise sogar sehr hohe Poly-

ploidie handelt, deren Stufe ausserdem selbst im Bereich des gleichen Gewebes recht stark variieren kann. Auch stellte man hier Zellteilungen überhaupt kaum fest.

ALLGEMEINES.

Schon die bisherigen Untersuchungen zeigen, dass in dieser oder jener Weise polyploide Gewebe in verschiedenen Insektengruppen verhältnismässig häufig vorkommen, besonders in Anbetracht dessen, dass solche Untersuchungen bis heute noch sehr spärlich und nur aus neuester Zeit vorliegen. Die somatischen Chromosomen der Tiere sind ja, — merkwürdigerweise — bis in den heutigen Tagen in hohem Grade unbeachtet geblieben. Unter Berücksichtigung dessen erscheint es möglich, dass sich die somatische Polyploidie als eine wenigstens im Kreise der Insekten allgemein und weit verbreitete Erscheinung erweisen wird.

Man ist also dabei angelangt, dass der in den somatischen Zellen allgemeinbiologisch als am meisten charakteristisch betrachtete gemeinsame Zug, ihre Diploidie, nicht mehr als solcher Gültigkeit besitzt. Man kann nämlich nur sagen, dass die somatischen Zellen, im Gegensatz zu den Geschlechtszellen, »nichthaploid», also n-ploid sind.

Es fragt sich nun, welche Bedeutung der somatischen Polyploidie etwa beizumessen ist? In dieser Hinsicht sei nur auf einen Gesichtspunkt aufmerksam gemacht. Die Verwandlung einer Zelle von einer diploiden in eine tetraploide bedeutet nicht nur eine Verdoppelung ihrer Chromosomenzahl, sondern — und das ist gerade das Wichtigste — auch eine Verdoppelung ihrer Genenzahl, ihres aktiv wirksamen Bestandteils. Die Umwandlung ist also nicht nur eine morphologische, sondern auch eine physiologische, denn der physiologische Zustand der Zelle muss sich dabei in bestimmter W7eise ändern. Das gleiche trifft natürlich auch für die Gewebe zu. Das diploide und das daneben befindliche tetraploide Gewebe sind funktionell untereinander verschieden. Wie vorhin bereits erwähnt, können die Polyploidieverhält-nisse in den verschiedenen Geweben verschieden sein und sind es auch oft. In einigen Geweben finden wir ja durchweg die gleiche und als solche für das ganze Gewebe typische Polyploidiestufe, in anderen wiederum herrscht im gleichen Gewebe verschiedengradige Polyploidie. Sämtlichen diesen Verhältnissen kann man einen bestimmten charakteristischen Einfluss auf die Beschaffenheit und Funktion des Gewebes zuschreiben.

Ohne für die Sache einen weiteren theoretischen Hintergrund zu

suchen, liegt schon auf Grund des obigen reichlich Grund zur Annahme vor, dass die somatische Polyploidie in gewisser Beziehung zum Diffe-renzierungsprozess der Zellgewebe steht, ein Umstand, auf den auch Geitler (1938 a), so viel ich sehe allerdings in etwas anderem Sinne, hinweist. Ausdrücklich sei jedoch bemerkt, dass mit Vorstehendem nichts über die bei diesem Vorgang mitwirkenden kausalen Verhältnisse ausgesagt wird.

ZUSAMMENFASSUNG.

1. Die bisher bekannten Fälle über somatische Polyploidie bei den Insekten werden ihrem Charakter nach in drei Typen eingeteilt.

2. Die Binde- und Fettgewebe der Odonaten werden als durchweg tetraploid nachgewiesen. Hierüber liegen Feststellungen an 15 über das ganze System verteilten Arten vor.

3. Als wahrscheinlichste Ursache dieser Erscheinung wird die sog. innere Teilung der Chromosomen herangezogen.

4. Die somatische Polyploidie wird mit dem Differenzierungspro-zess der Gewebe in Zusammenhang gestellt.

Herrn Prof. Dr. Harry Federley, in dessen Institut vorliegende Arbeit ausgeführt wurde, sage ich für zahlreiche wertvolle Anweisungen meinen besten Dank.

ERKLÄRUNG DER ABBILDUNGEN.

Die photographischen Aufnahmen sind mit dem ZEiss'schen Phoku-Apparat, Fig. 1, 2 und 8 mit Objektiv 20 und Negativlinse L (4,7), Fig. 3—5 und 9 mit Objektiv 120 und Negativlinse H (6,2) ausgeführt. Erstere stellen zweifache, letztere dreifache Vergrösserung des Negativs dar.

Die Zeichnungen (Fig. 6—7) sind mit Hilfe vom Objektiv 100, Okular 25 und dem ÄBBEzeichenapparat (alles Zeiss) auf der Höhe des Arbeitstisches ausgeführt worden. Das bedeutet eine Vergrösserung von ca. 4450 Diametern.

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