ÜBER POLYPLOIDIE IN BEZIEHUNG ZU KLIMA, ÖKOLOGIE UND PHYLOGENIE CHROMOSOMENZAHLEN AUS TIMBUKTU
von 0. HAGERUP
botanischer garten, kopenhagen
I. PROBLEME.
KÖNNEN äussere Einwirkungen eine erbliche Veränderung bei Organismen herbeiführen? Diese alte Streitfrage hat man seit Johannsen am öftesten mit einem entschiedenen Nein beantwortet. Uber die allgemeine Gültigkeit dieses Urteils bin ich bei Reisen in verschiedenen tiegenden der Erde, wo die Pflanzen unter extremen klimatischen Verhältnissen intensive Einflüsse ertragen müssen, in Zweifel geraten. Diese Zweifel näher zu begründen ist die Absicht vorliegender Arbeit. Erwähnte Reisen wurden teils in den kältesten, teils in den wärmsten und trockensten Klimaten der Erde durchgeführt, und unter diesen für die Pflanzen so harten Daseinsbedingungen habe ich die Aufmerksamkeit namentlich auf solche Arten gerichtet, die in poly-ploiden Formen auftreten. Es scheint, dass Polyploidie bei der Neubildung von Arten eine Rolle spielt. Da nun Polyploidie durch Einfluss äusserer Faktoren entstehen kann, werden wir direkt in die Frage über die eventuelle Bedeutung der äusseren Einwirkungen für die Artbildung hineingeführt.
Bei der Suche nach Material, das zur Klärung des erwähnten Problems beitragen könnte, wäre es darum zweckmässig Pflanzen solcher Gegenden der Erde zu untersuchen, wo der Kampf ums Dasein infolge harter Aussenfaktoren besonders scharf wirkt. Ich war in der günstigen Lage 1) die Arktis (Grönland, Island und die Faeröer) und 2) die südliche Sahara bereisen zu können. Beständig auf der Suche nach Poly-ploiden, bin ich nun zu den Resultaten gekommen, über die unten berichtet wird.
Schon 1922 begann ich auf den Faeröer meine Studien über Empetrum hermaphroditum, das eine interessante zwittrige, tetraploide Form des getrenntgeschlechtigen E. nigrum darstellt (Hagerup 1927). Es ist kaum ganz richtig, E. hermaphroditum als selbständige Art aufzufassen, da es nicht mit neuen Genen bereichert ist, sondern nur mit
neuen Kombinationen derselben Genen. In diesem Zusammenhang ist es aber von besonderem Interesse, dass ein erblich konstanter Typus entstanden ist. E. hermaphroditum ist nämlich das einzige Empetrum, das man auf den gewaltigen Arealen Ostgrönlands vorfindet, wo E. nigrum, das hier überhaupt nicht vorkommt, also nicht beständig E. hermaphroditum neubilden kann.
Schliesslich sei nochmals hervorgehoben, dass das tetraploide Empetrum mit einer sehr wichtigen Eigenschaft von grossem pflanzengeographischen Interesse bereichert ist, indem es viel weiter nördlich gedeiht, als das diploide Empetrum. Es scheint, als ob die Chromosomenverdopplung der Art eine erhöhte »Vitalität» verliehen, und sie im Kampf ums Dasein widerstandsfähiger gemacht hätte, so dass es ihr möglich wurde neues Land in Besitz zu nehmen, das für die diploide Form unbewohnbar war.
Es scheint also, dass die Probleme der Polyploidie sowohl die Artbildungsfrage als auch pflanzengeographische Grundprobleme berühren könnten. Wir haben es also mit zentralen Aufgaben der Biologie zu tun und müssen versuchen ein möglichst vollständiges Beweismaterial herbeizuschaffen.
Um zu untersuchen, ob die bei Empetrum vorgefundenen Verhältnisse möglicherweise allgemeingültig sind, habe ich 1924—1925 zyto-logisches Material von Bicornes in Grönland eingesammelt, und dieses mit weiterem Material aus dem Botanischen Garten zu Kopenhagen ergänzt.
Hierbei ergab sich, dass sich die meisten der innerhalb Bicornes festgestellten Chromosomenzahlen (Hagerup 1928) in eine schöne (i-Zahlenreihe einordnen lassen: 6 X 1; 6 X 2; 6 X 3; . . . .6X8. In vier Fällen wurden innerhalb derselben Gattung solche Zahlen vorgefunden, die durch Verdopplung voneinander abgeleitet werden können. Es ergab sich da, dass es stets die Arten mit den höchsten poly-ploiden Zahlen waren, die am nördlichsten zu wachsen vermochten. Dieses Resultat stützt also die bei Empetrum angetroffenen Verhältnisse.
Falls meine Theorie richtig wäre, müsste man erwarten, dass, wenn grosse Kälte das Vorkommen von Polyploidie verursachen könnte, auch grosse Hitze eine entsprechende Wirkung besitzen könnte. In der Absicht nun auch den Einfluss der Wärme auf Polyploidie zu untersuchen, habe ich 1927—1928 eine Reise nach Afrika unternommen und in der südlichen Sahara, in der Umgebung der Stadt Timbuktu, zyto-logisches Material eingesammelt, in einem Gebiet mit einem der heissesten und unerträglichsten Klimas der Erde. Die Blütenknospen
wurden in Carnoy's oder Nawaschin's Flüssigkeit fixiert, und bei der Heimkunft haben sie sich als gut konserviert erwiesen.
Ich habe die meisten Arten um Timbuktu fixiert, besonders bin ich aber solchen Gattungen nachgegangen, die in zwei Arten vertreten waren, von denen die eine womöglich an einen trockneren Standort gebunden war als die andere. In manchen Fällen habe ich mich jedoch mit einem Vergleich mit solchen Arten begnügen müssen, die mir nur durch die Literatur bekannt waren; oder auch liess eine Chromosomenpaarung vermuten, dass eine polyploide Form ähnlicher Art vorlag wie im Falle von Empetrum hermaphroditum, der in Fig. 3 in meiner Arbeit von 1927 dargestellt ist. (Man muss sich doch eingedenk sein, dass viele polyploide Arten keine gepaarten Chromosomen besitzen.)
Nachstehend folgt eine Liste über die Chromosomenzahlen der untersuchten Arten, sowie eine kurze Beschreibung solcher Verhältnisse bei den Pflanzen, die für die Beleuchtung der vorliegenden Frage Bedeutung haben können. Die zum Vergleich benutzten Zahlen sind den von G. Tischler (1931) und L. O. Gaiser (1930) veröffentlichten Listen entnommen, auf deren Literaturverzeichnisse ich mir übrigens hinzuweisen erlaube.
II. CHROMOSOMENZAHLEN AUS DER SÜD-SAHARA
(TIMBUKTU).
Cucumis prophetarum L. (Cucurbitaceae) ist eine typische Wüstenpflanze, die an den trockensten Orten zu wachsen vermag, wo sie am »glühenden» Sand niederliegt und mehrjährig ist. (Fig. 1; n = 12).
Cucumis melo hat ebenfalls n — 12, dagegen besitzt C. sativus n = 7 (Kozchuchow). Ob C. prophetarum eine tetraploide Form einer der zahlreichen an feuchteren Orten vorkommenden, einjährigen Arten ist, lässt sich auf Grund des vorliegenden Materials nicht entscheiden.
Launaea inlegrifolia Hagerup (Compositae). Eine kleine Gattung typischer Wüstenpflanzen, von der man sonst keine Chromosomenzahlen kennt. In der nahestehenden Gattung Lactuca sind dagegen manche Arten mit n = 5, 8, 12, 1(5, 24 bekannt. Ein Grund, die Art als polyploid aufzufassen, liegt kaum vor. (Fig. 2; n = 8).
Farsetia ramosissima Höchst. (Cruciferae). Ein Zwergstrauch sehr trockner Orte. Manton (in Tischler 1931) hat zwei andere Arten dieser Gattung mit n = 7—8 untersucht. Auf Grund des vorliegenden Materials lässt es sich aber nicht entscheiden, ob die Art
tetraploid ist; jedoch kommt n = 6 innerhalb der Cruciferen vor. (Fig. 3; n = 12).
Ricinus communis L. (Euphorbiacese). Diese Art, hierzulande als einjährige Pflanze angebaut, wird bei Timbuktu ein mehr als mannshoher mehrjähriger Baum. Mehrere Forscher haben an Wurzelspitzen europäischen Materials n=10 gezählt. Ich habe Blütenknospen aus Afrika untersucht, die darlegten, dass die Pflanze in ihrer Heimat dieselbe Chromosomenzahl besitzt wie in Europa. (Fig. 4; n = 10).
Neurada procumbens L. (Rosaceae). Diese typische Wüstenpflanze wurde schon von Murbeck (1916) untersucht, der n = 6 gefunden hat. Ich habe jedoch reichliches und gut konserviertes Material untersucht und niemals n = 6, sondern stets n = 7 festgestellt, was damit übereinstimmt, dass 7 die häufigste Grundzahl innerhalb der Rosaceen darstellt. Da Murbeck's Material jedoch aus andern Gegenden der Sahara stammt, können wir vielleicht mit zwei verschiedenen Rassen gearbeitet haben? (Fig. 5 und ß; n = 7).
Polygala triflora L. (Polygalaceae). Dieser kleine Strauch wächst an sehr trocknen Orten. Die merkwürdige Zahl 19 lässt keine Polyploidie vermuten. Zum Vergleich habe ich Polygala vulgaris aus Dänemark untersucht, die sich in ihrer Reduktionsteilung jedoch so unregelmässig verhielt, dass ich die Chromosomen nicht zählen konnte. Auch sonst sind keine Chromosomenzahlen für die Gattung Polygala veröffentlicht. (Fig. 7; n — 19).
Capparis Rothii Oliv. (Capparidacese). Eine grosse, prachtvolle Liane, die ich bei Zinder in Französisch Nigeria an einem sehr trocknen Ort eingesammelt habe. In systematischer Hinsicht schliesst sie sich einer Gruppe von Arten an, die der Hauptart C. corymbosa Lam. sehr nahe stehen. Die Chromosomen liegen deutlich paarweise angeordnet (Fig. 8), was bedeuten kann, dass die Art tetraploid ist; ein Umstand, der vielleicht zur Erklärung des grossen Formenreichtums von C. corymbosa beitragen kann. Bei anderen Capparis-Arten hat Kuhn n == 9, 15, 19, ca. 42 festgestellt. (Fig. 8; n = 2 X 10).
Euphorbia granulata Forsk. (Euphorbiacese). Ein kleines, nieder-
Fig. 1—11. — 1: Cucumis prophetarum. Heterotypische Metaphase. X 2300. — 2: Launaea integrifolia. Heterotypische Metaphase. X 2000. — 3: Farsetia ramosis-sima. Heterotypische Metaphase. X 2300. — t: Ricinus communis. Heterotypische Anaphase. X 4600. — 5: Neurada procumbens. Heterotypische Metaphase. X 2300.
— 6: Neurada procumbens. Homotypische Metaphase. X 2300. — 7: Polygala triflora. Heterotypische Metaphase. X 2300. — 8: Capparis Rothii. Heterotypische Metaphase. X 2300. — 9: Euphorbia granulata. Heterotypische Metaphase. X 2300.
— 10: Euphorbia granulata. Homotypische Metaphase. X 2300. — 11: Euphorbia
scordifolia. Homotypische Metaphase. X 2300.
liegendes Kraut sehr trockner Orte, das dem heissen Sand dicht angepresst ist. Zum Vergleich zeigt Fig. 11 eine systematisch nahestehende Art, Ii. scordifolia Jacq. (n = 10), die ebenfalls stark xerophil ist. Die zwei Arten wachsen oft vergesellschaftet und können einander in gewissen Formen sehr ähnlich sein. Fig. 9, 10 und 11 sind bei gleicher Vergrösserung gezeichnet, und man ersieht, dass die Pollenmutterzellen bei E. granulatu am grössten sind, obgleich diese die kleinste Art darstellt. Die Chromosomen liegen deutlich zu zweien, und es liegt nahe, E. granulatu als eine tetraploide Form einer mit E. scordifolia nahe verwandten Art aufzufassen. Bei andern Euphorbia-Arten hat Harrison (in Tischler 1931) n = 10 und 20 vorgefunden. (Fig. 9—10; n = 2 X 10).
Cocculus leaeba DC. (Menispermacea;). Eine hochwachsende Liane, die in der Sahara einheimisch ist. Die Chromosomen klumpen sich stark zusammen, und es ist schwierig, sie zu zählen, obgleich sie sehr gross sind. Nur wenige Arten dieser Familie sind zytologisch untersucht worden; Lindsay (1930) hat jedoch bei Menispermum eanudense n = 26 festgestellt. (Fig. 12; n=13).
Crotalaria arenaria Benth. (Papilionaceae). Ein mehrjähriger Zwergstrauch, der an den trockensten Orten wachsen kann. Zum Vergleich habe ich am Niger Crotalaria obovata G. Don. eingesammelt, ein kräftiges Unkraut mittelfeuchter Orte; auch hier war n = 8 (Fig. 14). Dies sind die einzigen Arten der Gattung, deren Chromosomenzahlen bekannt sind; doch ist 8 eine gewöhnliche Zahl innerhalb der Leguminosen. (Fig. 13; n = 8).
Oldenlandia scnegalensis Hiern. (Rubiaceae). Ein hohes, schönes Kraut, das zwischen Gras an mittelfeuchten Orten wächst. Auf Schlamm wächst (periodischer Austrocknung ausgesetzt) die zarte O. capensis L., die 18 Chromosomen besitzt, die sehr deutlich gepaart sind und sogar in der heterotypischen Anaphase beisammen bleiben (Fig. 16). Die beiden Arten sehen sehr verschieden aus, sodass man beim ersten Anblick sich weigern möchte zu glauben, dass sie derselben Gattung angehören sollten. O. capensis scheint eine tetraploide Form zu sein, doch kaum von O. senegalensis. (Fig. 15; n = 9).
Trianthema crystallina V. (Aizoaceae). Die drei untersuchten Arten der Gattung sind alle Sukkulenten. T. polysperma Höchst. (Fig. 20), eine kleine einjährige Pflanze feuchten Bodens, besitzt ein von den beiden anderen Arten abweichendes Aussehen. Dagegen ähneln T. pen-tandra L. (Fig. 19) und T. crystallina V. (Fig. 18) einander aufs höchste, sowohl im Standort (trockner Sand) als auch im Aussehen. T. pentan-
Fig. 12—23. — 12: Cocculus leaeba. Heterotypische Melaphase. X 2300. — 13: Cro-talaria arenaria. Homotypische Metaphase. X 2300. — U: Crotalaria obovata. Diakinese. X 2300. — 15: Oldenlandia senegalensis. Heterotypische Metaphase. X 2300. — 76': Oldenlandia capensis. Heterotypische Metaphase. X 2300. — 17: Oldenlandia capensis. Heterotypische Anaphase. X 2300. — 18: Trianthema crystallina. Heterotypische Metaphase. X 2300. — 19: Trianthema pentandra. Heterotypische Metaphase. X 2300. — 20: Trianthema polysperma. Homotypische Metaphase. X 2300. — 21: Indigofera sessiliflora. Homotypische Metaphase. X 2300. — 22: Indigofera diphylla. Heterotypische Metaphase. X 2300. — 23: Indigofera viscosa.
Homolypische Metaphase. X 2300.
dra besitzt n = 8, während die weit kleinere T. crystallina (7X2 oder) 8X2 Chromosomen führt, die sehr deutlich paarweise angeordnet sind, als sei die Art tetraploid. (Fig. 18; n = 7 X 2 oder 8 X 2).
Indigofera sessiliflora DC. (Papilionaceae). Dieser kleine Halbstrauch ist ein echter Xerophyt, dessen Sprosse auf dem gewaltig erhitzten Wüstensand niederliegen. Dasselbe gilt für die verwandte I. diphylla, die jedoch nur die halbe Chromosomenzahl besitzt (n = 8, Fig. 22). I. viscosa Lam. (Fig. 23) und I. aspera Perr. (Fig. 24) be-
Fig. 24—27. — 2i: Indigofera aspera. Homotypische Metaphase. X 2300. — 25: Indigofera parviflora. Heterotypische Metaphase. X 2300. — 26: Bergia suffruticosa. Heterotypische Metaphase. X 2300. — 27: Bergia ammanoides. Homotypische
Anaphase. X 2300.
wohnen mittelfeuchte Orte der Savanne; auch bei ihnen ist n = 8, obgleich beide einer andern Sektion der Gattung angehören. I. parviflora Heyne ist einjährig; sie besitzt grosse Pollenmutterzellen und Chromosomen, aber n = 7. Bei zwei anderen Indigofera-Arten ist n = 24 (Kreuter 1929, Tschechowa 1930). (Fig. 21; n = 16).
Bergia suffruticosa Fenzl. (Elatinaceae). Bekanntlich sind die Elatinaceen meistens kleine, zarte Kräuter feuchter Orte. Ein solcher Typus findet sich auch auf Schlamm bei Timbuktu, nämlich die einjährige Bergia ammanoides Roth. (Fig. 27); sie besitzt sehr kleine Kerne und Chromosomen; die Chromosomenzahl ist n = 12. Derselben
Gattung gehört ein ganz abweichender Typus an, nämlich Bergia suffru-ticosct, eine heidekrautartige Wüstenpflanze, die an Empetrum erinnert. Mit Spannung untersuchte ich sie und stellte n = 18 fest. Die Art hat eine sehr isolierte Stellung innerhalb der Gattung, und es lässt sich schwerlich entscheiden, ob sie triploid ist. Bei zwei Elatine-Arten fand Frisendahl (1927) »ca. 20 Chromosomen». (Fig. 26; n=18).
Portulacca oleráceo L. (Portulaccaceae). Wie Fig. 28 zeigt, kommt Portulacca in zwei Formen vor, die so verschieden sind, dass man schon in einem Abstände von einigen Metern erkennen kann, welche man vor sich hat. Die eine ist schmächtiger, hat schmale Blätter und kleine Blüten. Die andere ist robust, besitzt doppelt so grosse und breite, keilförmige Blätter. Vom systematischen Gesichtspunkte aus könnte man sehr wohl die eine als Varietät der andern aufstellen; doch sieht man gleich, dass sie sehr nahe verwandt sind, da die Verschiedenheiten wesentlich nur Grössenunterschiede darstellen. Sie wachsen untereinander; leider habe ich zu wenig Herbarmaterial zur Verfügung gehabt und kann daher nicht entscheiden, ob es die grosse Form ist, die am weitesten in die Sahara eindringt.
Die kleine Form hat n = 9 (Fig. 29) gleichwie Portulacca grandiflora (Tjebbes 1930). Bei der grossen Form (var. gigas) dagegen ist n = 27 (Fig. 30), und da sich keine anderen, ähnlichen Arten in der Nähe befinden, liegt kaum ein Grund vor daran zu zweifeln, dass die grössere Form ein Hexaploid der kleineren darstellt. (Fig. 28—30; n = 9 und 9X3).
Aerva tomentosa Forsk. (Amaranthaceae). Wie Fig. 30 A zeigt, verhält Aerva sich auf ähnliche Weise wie Portulacca, indem es sowohl eine zarte, schmalblättrige (= var. Bovei Webb. ), als auch eine kräftige, breitblättrige Form gibt, die bei Timbuktu oft nebeneinander wachsen. Es ist die breitblättrige Form, die in den milderen Klimas gegen Süden vorkommt, während die schmalblättrige das Klima weit in die Sahara hinein erträgt (K. Gham). Die beiden Typen besitzen also verschiedene Dürreresistenz, was in ihrer abweichenden geographischen Ausbreitung zum Ausdruck kommt. Leider kann ich nicht angeben, welche von den beiden Formen die Gigas-Form ist, da seltsamerweise sämtliche Individuen bei Timbuktu weiblich sind; sie müssen sich also parthenogenetisch vermehren. Die Art vermehrt sich ausschliesslich durch Samen, und Keimpflanzen sind sehr häufig. Es war mir nicht möglich die Chromosomen in den vegetativen Mitosen zu zählen. (Fig. 30 A).
Eragrostis cambessediana Kunth (Gramineae). Zu den interessan-
testen der untersuchten Typen gehören jedenfalls einige Formen, die sich in systematischer Hinsicht um Eragrostis cambessediaim Kunth (Fig. 31 A) gruppieren, einem schönen Gräschen, dass den Schlamm der Seeufer bewohnt, solange diese nicht unter Wasser stehen. Diese zarte Pflanze fordert die bestmöglichen Standortsbedingungen, um leben zu können, nämlich eine stets feuchte Erde und ausserdem eine
stets dampfgesättigte Luft sehr hoher Temperatur (ca. 40°). Zu Beginn der Überschwemmungen wird die Pflanze getötet, sie ist also nur einjährig. Ihre Chromosomenzahl beträgt nur 10. (Fig. 32).
Ganz nahe der kleinen Seen, an deren Ufer E. cambessediana wächst, liegen die sehr trocknen Dünen, die eine ausgeprägt xerophile Flora beherbergen. Am Fuss der Dünen, wo die Überschwemmungen nicht hinaufreichen, gibt es mittelfeuchte Orte mit ihren speziellen Arten, die weder Hygrophyten noch Xerophyten sind. Hier findet sich
auch eine Eragrostis albida Hitch. die E. cambesscdiana aufs höchste ähnelt. Sie ist häufig etwas kleiner (Fig. 31 B) und mit borstenförmigen Blättern versehen, weicht jedoch besonders dadurch ab, dass sie mehrjährig ist. Sie ist also im Stande das ganze Jahr hindurch zu arbeiten, da sie nicht so grosse Ansprüche an Luft und Bodenfeuchtigkeit hat, und daher ein weniger günstiges Terrain zu bewohnen vermag als die anspruchsvolle E. cambesscdiana, dessen tetraploide Form sie offenbar darstellt. (Fig. 33).
Steigen wir nun etwas höher hinauf auf die Düne, gelangen wir zu Lokalitäten, die noch viel trockner sind, indem nicht nur die Luft, sondern auch die Erde bis auf 80° erwärmt wird. Hier können die beiden erwähnten Arten nicht wachsen; jedoch treffen wir nun eine
Fig. 29. I'ortulacca oleracea. Homolypische Melaphase (n = 9). X 2300. Fig. 30. Portuluccu oleracea var. gigas. Helerotypische Metaphase (n = 27). X 2300.
Eragrostis pallescens Hitch. Sie ähnelt auch den beiden vorigen Arten (Fig. 31 C), weicht jedoch besonders dadurch ab, dass sie ebenso kräftig ist, wie unsre einheimische Dactglis\ sie besitzt recht breite Blätter, die sich jedoch einrollen können. Die Art ist mehrjährig und steht auch in der langen, intensiven Trockenzeit mit lebendigen Blättern, besitzt also eine sehr grosse Dürreresistenz; ihre Chromosomenzahl ist 40. (Fig. 34).
Als ich die Pflanzen einsammelte, konnte ich keine anderen Verschiedenheiten erkennen, als Grössen- und Standortsunterschiede, weshalb ich sie für polyploide Formen derselben Art hielt. Um jedoch eine objektive Beurteilung der Frage zu erhalten, habe ich die Pflanzen dem bekannten Gras-Spezialisten Dr. A. S. Hitchcock zugesandt, der die beiden Formen als neue Arten beschrieben hat. Es hat in dieser Verbindung jedoch keine entscheidende Bedeutung, welchen systematischen Wert man den beiden neuen Formen beimisst.
Bei anderen Eragrostis-Arten stellte Avdulow (1931) die Zahlen 10, 20 und 30 fest.
III. ZUSAMMENFASSENDE BETRACHTUNGEN.
Im vorhergehenden Abschnitt wurde das Resultat einer zytologi-schen Untersuchung folgender 29 Pflanzenarten aus der Umgebung von Timbuktu in der südlichen Sahara mitgeteilt:
Cucumis prophetarum .............. 12
Launaea integrifolia................. 8
Farsetia ramosissimu................ 12
Ricinus communis .................. 10
Neuraüa procumbens ................ 7
Polygala triflora .................... 19
Capparis Rotliii .................... 2X10
Euphorbia granulata ................ 2X10
» scordifolia ............... 10
Cocculus leaeba..................... 13
Crotalaria arenaria.................. 8
» obovata................... 8
Ohienlandia senegalensis............. 9
» capensis ................ 2X9
Trianthema crystallina .............. 2X8 (oder 2X7)
» polysperma ............. 8
» pentandra .............. 8
Indigofera scssiliflora................ 2X8
» diphylla ................. 8
» parviflora ................ 8
» viscosu .................. 8
» aspera ................... 8
Bergia suffruticosa.................. 18
» ammanoides ................. 12
Portulacca oleracea ................. 9
» » var. gigas........ 3X9
Eragrostis cambessediana ............ 10
» albida.................... 20
» pallescens ................ 40
Die Auswahl der Arten ist recht beliebig; doch habe ich namentlich solche Typen untersucht, die mit nahe verwandten Formen von womöglich gleicher Gattung und aus derselben Gegend verglichen wer-
Fig. 30 A. Aerva tomentosa; die zwei Formen, den konnten. Ausserdem habe ich die etwas mangelhafte Methode benutzt, die darin besteht, zu untersuchen, ob die Chromosomen paarweise angeordnet liegen. Auf diese Weise ist es — mit einem grösseren oder geringeren Grad von Sicherheit — gelungen, bei mehr als der Hälfte der untersuchten 17 Gattungen eine Polyploidie nachzuweisen; am deutlichsten war diese in den Gattungen Portulacca (Fig. 28) und Eragrostis (Fig. 31).
Fig. 31. Eragrostis. A: E. cambessediana (n=10); В: E. albida (n = 20); C:
E. pallescens (n = 40).
Ausserdem fand ich, dass noch folgende Arten in zwei Formen, einer grösseren und einer kleineren, auftraten: Aerva tomentosa Forsk. (Fig. 30 A) (Amarantliaceae), Glinus lotoides Loefl. (Aizoaceae) und Polycarpon Loeflingii Benth. & Hook. (Caryophyllacese); jedoch habe ich bei diesen Arten die bezüglichen Chromosomenzahlen nicht feststellen können.
Die gefundenen polyploiden Typen weichen von den entsprechenden diploiden Arten ab: 1) Morphologisch; 2) ökologisch und pflanzengeographisch (Lebensform); 3) Genetisch.
In morphologischer Hinsicht weichen die Formen mit den höheren Chromosomenzahlen (die »Polyploiden») namentlich durch G rössenunterschiede ab. Meistens ist die polyploide Form die grösste, z. B.
Fig. 32. Eragrostis cambessediana. Heterotypische Metaphase. X 4600. n = 10.
Fig. 33. Eragrostis albida. Heterotypische Metaphase. X 4600. n = 20.
Fig. 34. Eragrostis pallescens. Heterotypische Metaphase. X 4600. n = 40.
Portulacca und Eragrostis, und verdient also die Bezeichnung »Gigas». Seltener findet man die hohen Chromosomenzahlen bei relativ kleinen Arten, z. B. bei Oldenlandia capensis, Trianthema; und in der Arktis ist Kalmia glauca (n = 24) viel kleiner als K. latifolia (n = 12).
Besonders interessant ist aber, dass mit dem erhöhten Chromosomenbestand auch eine gesteigerte »Vitalität» (vegetative Kraft) folgen kann, so dass die Pflanze eine grössere Widerstandsfähigkeit gegen Austrocknung besitzt. Hieraus kann wieder resultieren, dass die polyploide Pflanze nun die ganze furchtbare Trockenzeit überleben kann, so dass sie also ihre Lebensform gewechselt hat. So ist z. B. Eragrostis cambessediana (n = 10) Therophyt, während sowohl E. albida (n = 20) als auch E. pallescens (n = 40) Hemikryptophyten (Raunkler) sind.
Wir sahen schon, dass gewisse Polyploiden (z. B. Eragrostis) auf einem Boden wachsen können, der der diploiden Form schon zu un-
llercditas XVI. 3
günstig ist. Mit andern Worten: die geographischen Grenzen der Art verschieben sich, wenn Polyploidie eintritt.
Die Art kann durch Polyploidie ihre Ausbreitung verändern, nicht nur bezüglich ihrer Standortsverhältnisse, sondern auch in geographischer Hinsicht (Aerva). Falls diese Hypothese, die bisher nur auf ganz wenige Beobachtungen fusst, sich als stichhaltig erweisen würde, könnte man annehmen, in den günstigen Klimaten der Erde (z. B. im tropischen Regenwald) verhältnismässig viel niedrige, dagegen z. B. in Wüsten und arktischen Gebieten höhere Zahlen zu finden.
Auch bei anderen Pflanzen kennt man ähnliche Erscheinungen; namentlich sind Turessons (1930) Untersuchungen über Festuca ovina interessant: Mit zunehmender Polyploidie wurden die Pflanzen vegetativ kräftiger, während die Fertilität abnahm (Viviparie).
Endlich sei noch erwähnt, dass die Polyploiden neue genetische Möglichkeiten enthalten können. Dass die Polyploidie erblich sein kann, zeigt z. B. Empetrum hermaphroditum, das oft in den nördlichsten Gegenden der Erde vorherrscht, wo die diploide Form (E. nigrum) gar nicht leben kann. Rein theoretisch gibt es viele neue Kombinationsmöglichkeiten; man denke sich z. B. eine tetraploide Form mit einer diploiden derselben oder einer nahestehenden Art gekreuzt. Bei Bicornes findet sich, wie schon erwähnt, eine schöne 6-Reihe; unter diesen Zahlen kommt indessen auch die Zahl 23 (Pyrola) vor, die wohl sicher von der Zahl 24 = 2 X 12 abzuleiten ist. Eine Phase der phylogenetischen Entwicklung, die Pyrola durchlaufen hat und die zur Zahl 23 geführt hat, würde dann schematisch als (2 X 12) -5- 1 zu schreiben sein. Die Polyploidie kann also bei der weiteren phylogenetischen Entwicklung beibehalten werden. Vielleicht stirbt auch die tetraploide Form aus, weil sie die schwächere ist, und wir erhalten die multiplen Chromosomenreihen, die für viele systematische Einheiten so charakteristisch sind.
Tiefergehende Untersuchungen müssen entscheiden, welche Rolle die Polyploidie bei den Prozessen, die zur Artbildung führen, spielt; dass den Polyploiden jedoch eine grosse Rolle zukommt, davon zeugen offenbar die häufigen Reihen multipler Chromosomenzahlen. »II est raisonnable d'admettre que la polyploidie est un facteur qui peut avoir son influence dans l'évolution du genre» (Fernandes 1931, p. 107).
Bezüglich der Frage, wie Polyploidie entstehen kann, wissen wir, dass diese sowohl in vegetativen Zellen, als auch nach Bastardierung zustande kommen kann (Rosenberg, Müntzing). In diesem Zusammenhang ist es nun besonders interessant, dass Polyploidie durch direkte
Einwirkung äusserer Faktoren (sowohl auf Sorna als auch auf junge Geschlechtszellen) herbeigeführt werden kann. Durch Wundreiz brachte de Mol polyploide holländische Blumenzwiebeln hervor, und auf ähnliche Weise entstanden Jöhgensen's polyploide Solanaceen. Auch Geschlechtszellen können durch Einfluss verschiedener äusserer Faktoren polyploid werden, eine Erscheinung, die in jüngster Zeit von einer Reihe von Forschern untersucht worden ist. Man hat sich dabei der verschiedensten Einwirkungsmethoden und Pflanzen bedient: Goodspeed (1930) hat Röntgenstrahlen angewandt, Heilbronn (1928) arbeitete mit Farnen, Michaelis (1928) mit Oenothera und Epilobium. Am besten untersucht sind indessen die durch Temperaturveränderungen hervorgerufenen Wirkungen. Schon 1922 machte Borgenstam einleitende Versuche. Viele andere Forscher sind ihm später nachgefolgt: Sakamura und Stow (1926), Shimotomai (1927), Stow (1930), Heilborn (1928—30) und manche andere könnten noch genannt werden; da aber die wichtigsten Arbeiten bei Heilborn (1930) ausführlich referiert sind, begnüge ich mich hier mit einem Hinweis auf diese Arbeit. Als Hauptresultat geht aus den erwähnten Untersuchungen hervor, dass durch Einfluss extremer, sowohl hoher als niedriger Temperaturen, Geschlechtszellen mit abweichenden, oft gerade polyploiden Chromosomenzahlen entstehen können.
Polijploiden können also durch starke äussere Einwirkungen entstehen. In der Kultur werden den Pflanzen oft solche ihnen unnatürliche äussere Bedingungen geboten. Man kreuzt sie z. B.; die grössten polyploiden Exemplare werden dann als die ertragreichsten aussortiert. Übereinstimmenderweise wurden die ersten Polyploiden bei angebauten Pflanzen entdeckt. Der erste wildwachsende Polyploid wurde von Pace 1914 gefunden, der nächste von Jörgensen (1923) und in den Jahren 1927—30 sind mehrere neue Fälle wildwachsender Polyploiden veröffentlicht worden (z. B. Viola). Eine vollständige Liste derselben gibt Clausen (1931). In den nächsten Jahren wird sich wohl erweisen, dass Polyploidie auch in der freien Natur eine recht allgemeine Erscheinung ist.
Will man nach der Ursache des Entstehens der Polyploiden in der Natur fragen, so liegt es nahe darauf hinzuweisen, dass solche extreme äussere Bedingungen, die in den Laboratorien Polyploidie herbeiführen können, auch in der Natur vorkommen. Im Jahre 1924 beobachtete ich z. B., dass Empetrum in Nord-Grönland zur Zeit der Reduktionsteilung in der Nacht einer Kälte von mehr als -f- 5° ausgesetzt worden ist. Am frühen Morgen waren die Blütenknospen von einer dicken
Eiskapsel umgeben und waren Druck und Abkühlung ausgesetzt; dann kommt plötzlich die Wärme; die Pflanze wächst weiter und die Reduktionsteilung wird fortgesetzt.
Nicht nur die niedrigen Temperaturen der Laboratorien, auch die hohen findet man in der Natur wieder. In der südlichen Sahara musste ich dicksohliges Winterfusszeug anhaben, wenn ich zwischen den Sandpflanzen gehen wollte ohne die Füsse zu verbrennen. Der Sand ist nämlich an den meisten Tagen des Jahres auf 70—80° C erhitzt, also eine Temperatur, die man im Laboratorium als über »die kritische Temperatur» liegend erachten würde, und die weit höher ist als die Temperaturen, die bei den Laboratoriumversuche die Entstehung von Polyploiden verursachen. Aber bei diesen für den Menschen so kritischen Temperaturen führen die Pflanzen Reduktionsteilungen aus; meine Fixierungen zeigen, dass die Pflanzen selbst in den wärmsten Augenblicken der heissesten Tage in Reduktionsteilung stehen, selbst an den am stärksten erhitzten Orten, wo ein Mensch nur kurze Zeit zu leben vermag. Die Teilungen finden hier zu allen Tageszeiten statt; doch sind die Chromosomen, wenn es am wärmsten ist, dicht zusammengeklumpt, so dass man sie bei Boerhaavia repens z. B. nicht zählen kann.
Wir müssen also damit rechnen, dass es nicht nur in den Laboratorien solche Temperaturen gibt, die Polyploide hervorbringen können; die Natur macht dieselben »Versuche» mit demselben Resultate wie oben beschrieben.
Und wie der Gärtner sich die lebensfähigsten Individuen zur Zucht herauswählt, so erfolgt z. B. bei Timbuktu ebenfalls die interessanteste »natural selection» in folgender Weise. Nach Verlauf einer ca. SU jährigen furchtbaren Trockenzeit wird die Regenzeit von entsetzlichen Sandstürmen eingeleitet, die den Wüstensand mit den darin enthaltenen Samen fast sämtlicher Arten hoch über die Hausdächer emporheben. Am Morgen nach einem solchen Sturm sieht man die Negersoddaten oben auf dem flachen Tondach der Festung die hier hinauftransportierte Masse in grossen Mengen hinunterschaufeln. Wie effektiv diese Samenverbreitung ist enthüllt bald die Regenzeit, denn dann ist selbst der grosse Turm der stattlichen Moschee ganz bis an die Spitze mit Keimpflanzen von Portulacca, Tribulus, Boerhaavia usw. bedeckt, dessen Samen der Wind dahin gebracht hat. Wenige Tage später ist die öde Wüstenlandschaft umgewandelt, und mit einem Grün von der Üppigkeit eines tropischen Regenwaldes bekleidet; und der Wettlauf um die Samenreife geschieht in der gewaltigen Wärme und Feuchtigkeit mit fieberhafter Geschwindigkeit.
Nach Verlauf eines Monats fängt der Regen an abzunehmen, und dann kommt der Wettlauf mit dem Tode, vielleicht die interessanteste Phase des ganzen »Abenteuers». Zuerst sterben die Hygrophyten, die der WTind auf den Dünen ausgesät hat; dann folgen die Mesophyten im Wüstensand usw. Alle Arten stehen jetzt mit Blütenknospen in der Reduktionsteilung, und jetzt ist die Dürre und Wärme derart, dass Polyploide in der Natur wie im Laboratorium entstehen können. Die Samen aller Arten sind vom Wind an sämtlichen Orten ausgesät, und nun bewirkt das Klima die Auslese der wenigen Arten, die auf den verschiedenen Lokalitäten »the fittest» sind. Wurden z. B. die drei Eragrostis-Arten auf den Gipfeln der Dünen ausgesät, stirbt zuerst die Form mit n = 10 (E. cambessediana), dann die mit n = 20 (E. albida), und nur die mit n = 40 (E. pallescens) bleibt übrig.
In dieser Arbeit ist namentlich der Einfluss der Temperatur (und dem davon abhängigen Feuchtigkeitsgrad) auf das Entstehen der Polyploidie berücksichtigt worden. Die nächste Aufgabe wäre dann die Bedeutung auch derjenigen anderen Verhältnisse zu untersuchen, die das Leben der Pflanze draussen in der Natur bedingen. Die ganz wenigen Laboratoriumversuche, die vorliegen, lassen vermuten, dass wenn z. B. Austrocknung, gewisse Lichtstrahlen, Wundreiz usw. Polyploidie herbeiführen können, dann vielleicht auch andere Verhältnisse (z. B. Wasserstoffionenkonzentration), die das Gedeihen der Pflanzen in der Natur bedrohen, die Chromosomenzahlen der Pflanzen ändern könnten. Dadurch würden neue Typen entstehen, die einen andern ökologischen, pflanzengeographischen und genetischen Wert besässen. Dabei brauchten nicht nur solche Typen zu entstehen, die grössere Dürre ertragen, sondern vielleicht gerade solche, die mehr Feuchtigkeit ertragen könnten. So war der kleine Hygrophyt Oldenlandia capensis tetraploid, im Gegensatz zu O. senegalensis, der auf einem trockneren Boden wächst, wie auch die meisten anderen Arten der grossen Gattung. Natürlich darf man nicht annehmen, dass ausschliesslich in den kältesten und wärmsten Gegenden der Erde Polyploide zu finden sind; solche gibt es vermutlich in allen Gegenden der Erde, wo die Pflanzen ihnen feindlichen äusseren Einwirkungen ausgesetzt sind.
Die durch Polyploidie entstandene »Anpassung» ist demnach nicht langsam und kontinuierlich entstanden (Lamarck), sondern gerade stossweise wie eine Mutation.
Eine befriedigende Beantwortung aller dieser Fragen muss der Zukunft vorbehalten werden. Die schon vorliegenden wenigen Beobachtungen lassen jedoch vermuten, dass wir durch Studien über Poly-
ploidie das Problem der Anpassung und der Phylogenie der Pflanzen — ausgehend von der Einwirkung äusserer Faktoren — in neuem Licht sehen werden.
Bei Hinblick auf diese allgemeinen Zusammenhänge zwischen zyto-logischen und pflanzengeographischen Problemen erkennt man schon jetzt die Linien einer künftigen Arbeitsgemeinschaft einiger Hauptzweige der botanischen Wissenschaften, die einander bisher ferne standen.
IV. ZUSAMMENFASSUNG.
1. In vorliegender Arbeit (S. 30) werden die Chromosomenzahlen (n) von 29 Pflanzen der südlichen Sahara mitgeteilt.
2. Ein Teil der untersuchten Pflanzen sind Polyploide, die im Vergleich mit ihren Stammarten neue a) genetische und b) morphologische Eigenschaften erworben haben, wodurch sie befähigt wurden an anderen Orten zu wachsen, sodass sie sowohl einen neuen c) ökologischen als auch d) pflanzengeographischen Wert besitzen können.
3. Laboratoriumversuche anderer Forscher haben erwiesen, dass Polyploide durch Einfluss ungünstiger äusserer Einwirkungen (Wärme, Kälte usw.) entstehen können. Da die Pflanzen in der Natur (z. B. Sahara) ähnlichen extremen Umweltbedingungen ausgesetzt sind wie die bei den Laboratoriumversuchen verwandten, darf man annehmen, dass Polyploide auch in der Natur infolge ungünstiger äusserer Einwirkungen entstehen.
4. Die Konsequenzen hiervon sind, dass die äusseren Faktoren, indem sie Polyploide hervorbringen, anscheinend bei den artbildenden Prozessen stark mitwirken, (Ausführliches findet man S. 30—37), und dadurch wohl das Entstehen neuer Arten veranlassen können.
Das Carlsbergfond in Kopenhagen hat mehrere Jahre hindurch sowohl meine Studienreisen als auch die Bearbeitung des eingesammelten Materials unterstützt; ich erlaube mir hiermit, der Direktion des Fonds meinen aufrichtigen Dank auszusprechen.
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