KZFss 60 (2008) 3:609-640 DOI 10.1007/s11577-008-0029-2
LITERATURBESPRECHUNGEN _
Kölner Zeitschrift ffirSoziotogieund Sozialpsycholagie
Wissenssoziologie, Sozialstrukturanalyse, Kapitalismus, Soziale Ungleichheit, Bevölkerungssoziologie, Rechtsextremismus, Religionssoziologie, Familiensoziologie, Sozialisation
Inhaltsübersicht
Wissenssoziologie
sammelbesprechung: Klassiker der Wissenssoziologie (Band 1 bis 6), herausgegeben von bernt schnettler. Schnettler, Bernt: Thomas Luckmann (1); Moebius, Stephan: Marcel Mauss (2); Endreß, Martin: Alfred schütz (3); Strübing, Jörg: Anselm strauss (4); Christmann, Gabriela: Robert E. park (5); Raab, Jürgen: Erving Goffman (6)
(Christine Matter)
Sozialstrukturanalyse
Burzan, Nicole: Quantitative Forschung in der sozialstrukturanalyse. Anwendungsbeispiele aus methodischer perspektive. Hagener studientexte zur soziologie (Simone Pape)
Reichart, Elisabeth: Doppelte Transformation des Ernährermodells? Eine Längsschnittstudie zur Erwerbsarbeitsteilung bei ost- und westdeutschen paaren nach der Geburt des ersten Kindes (Ursula Dallinger)
Kapitalismus
Fulcher, James: Kapitalismus (Ralf Altenhof)
Soziale Ungleichheit
Lengfeld, Holger: Organisierte ungleichheit. Wie Organisationen Lebenschancen beeinflussen (Stefan Hradil)
Bevölkerungssoziologie
Lutz, Wolfgang, Rudolf Richter und Chris Wilson (Hrsg.): The New Generation of Europeans. Demography and Families in the Enlarged European Union (Johannes Huinink)
Rechtsextremismus
Rippl, Susanne, Dirk Baier, Klaus Boehnke, unter Mitarbeit von Angela Kindervater und Andreas Hadjar: Europa auf dem Weg nach rechts? Die EU-Osterweiterung und ihre Folgen für politische Einstellungen in Deutschland, Polen und der Tschechischen Republik. Analysen zu gesellschaftlicher Integration und Desintegration (Wolfgang Kühnel)
Religionssoziologie
Lichtermann, Paul: Elusive Togetherness: Church Groups Trying to Bridge America's Divisions (Antonius Liedhegener)
Familiensoziologie
Doppelbesprechung: Konietzka, Dirk, und Michaela Kreyenfeld (Hrsg.): Ein Leben ohne Kinder. Kinderlosigkeit in Deutschland; Eggen, Bernd, und Marina Rupp (Hrsg.): Kinderreiche Familien (Elisabeth Seyfarth-Konau)
Sozialisation
Beer, Raphael: Erkenntniskritische Sozialisationstheorie. Kritik der sozialisierten Vernunft (Hartmut M. Griese)
Wissenssoziologie
Schnettler, Bernt: Thomas Luckmann. Klassiker der Wissenssoziologie Band 1. Konstanz: UVK Verlagsgesellschaft mbH 2006. 157 Seiten. ISBN 978-3-89669-545-1. Preis: € 14,90.
Moebius, Stephan: Marcel Mauss. Klassiker der Wissenssoziologie Band 2. Konstanz: UVK Verlagsgesellschaft mbH 2006. 156 Seiten. ISBN 978-3-89669-546-8. Preis: € 14,90.
Endreß, Martin: Alfred Schütz. Klassiker der Wissenssoziologie Band 3. Konstanz: UVK Verlagsgesellschaft mbH 2006. 156 Seiten. ISBN 978-3-89669-547-5. Preis: € 14,90.
Strübing, Jörg: Anselm Strauss. Klassiker der Wissenssoziologie Band 4. Konstanz: UVK Verlagsgesellschaft mbH 2007. 151 Seiten. ISBN 978-3-89669-548-2. Preis: € 14,90.
Christmann, Gabriela: Robert E. Park. Klassiker der Wissenssoziologie Band 5. Konstanz: UVK Universitätsverlag Konstanz 2007. 136 Seiten. ISBN 978-3-89669-559-8. Preis: € 14,90.
Raab, Jürgen: Erving Goifman. Klassiker der Wissenssoziologie Band 6. Konstanz: UVK Verlagsgesellschaft mbH 2008. 137 Seiten. ISBN 978-3896695505. Preis: € 14,90.
Christine Matter
Es gab einmal eine Zeit, als der Klassikerhimmel spärlich bevölkert war und es nur einigen wenigen Exponenten eines wissenschaftlichen Gebiets vorbehalten war, dorthin zu gelangen. Dafür war jeder Fachvertreter in der Lage, die Auserkorenen jederzeit, verehrend oder kritisch, abzurufen. Für die Soziologie ist hier natürlich zuerst das „Dreigestirn" von Durkheim, Weber und Simmel zu nennen, welches je nach Vorliebe durch weitere Namen ergänzt werden konnte (Marx, Tönnies, Parsons usw.).
Nun wird der Kreis wieder einmal erweitert - die „Klassiker der Wissenssoziologie" sind an der Reihe. Bernt Schnettler gibt zur Zeit bei UVK die entsprechende Reihe heraus, welche mittlerweile sechs Bände umfasst. In den Reigen aufgenommen wurden bislang Thomas Luckmann, Marcel Mauss, Alfred Schütz, Anselm Strauss, Robert E. Park und Erving Goffman, weitere Bände sind in Arbeit oder geplant. Bereits die sechs behandelten Autoren legen die Frage nahe, was eigentlich das Dach dieser Reihe sein soll. Wodurch werden die Ansätze dieser „Klassiker" zusammengehalten? Offenbar durch die Wissenssoziologie. Leider zieht sich der Herausgeber bereits zu Beginn auf die Position einer Wissenssoziologie „in einem breit verstandenen Sinne" zurück und vermeidet damit weiterführende inhaltliche Auseinandersetzungen ebenso wie eine genauere Bestimmung des Paradigmas „Wissen". Dies tut der Reihe nicht gut, weil man als Leser den Eindruck nicht los wird, dass die Auswahl einigermaßen beliebig erfolgte und vor allem dem Kriterium der Quantität verpflichtet ist.
Der Band zu Robert E. Park, verfasst von Gabriela Christmann, macht dies an verschiedenen Stellen deutlich. Die Einführung von Christmann vermittelt das Werk in einem konzisen Überblick und macht Park als Soziologen der ersten Stunde, der für
die amerikanische Soziologie von großem Einfluss war, greifbar. An der wesentlichen Rolle von Park für die soziologie, insbesondere für die amerikanische soziologie, gibt es nicht viel zu rütteln. Aber hier liegt auch ein problem. Wie gelangt einer als allgemeiner Anreger der soziologie gleich auch schon in den wissenssoziologischen Klassikerhimmel? so schreibt die Autorin doch bereits zu Beginn selbst zurückhaltend, dass seine schriften, hier im speziellen Parks Reflections on Communication and Culture, für die moderne Wissenssoziologie und für die Kultursoziologie „von Interesse sein könnten" (7). Von einem möglichen Interesse für das wissenssoziologische Unternehmen hin zu einem klassischen Exponenten desselben scheint jedoch ein langer Weg zu sein. Wie die Autorin zu Recht schreibt, ist park ein soziologischer Klassiker vor allem der amerikanischen soziologie. Und was Christmann als Aufgabe bleibt, ist, auf wissenssoziologische Aspekte im Werk von park aufmerksam zu machen (9). Ist der Rahmen einmal so abgesteckt, liest man die Einführung von christmann zu Robert park mit Gewinn.
Ähnlich steht es um den Band von Jörg strübing zu Anselm strauss, einem weiteren Vertreter der amerikanischen soziologie, der, im unterschied zu park, auch in der deutschen soziologie einige Wellen geworfen hat mit seinem theoretisch-methodischen Konzept der Grounded Theory. Jedoch auch bei strauss sucht man die Beschäftigung mit Wissen als soziologischer Kategorie im engeren sinn vergeblich. Handeln, Aushandlungsordnung, strukturgenese und prozesshaftigkeit sind die Themen, die strauss beschäftigen. strauss' Reserve gegenüber dem symbolischen macht auch deutlich, dass er sich nicht ohne weiteres der wissenssoziologischen Tradition zumindest im phäno-menologisch-hermeneutischen Verständnis, wie es durch die ebenfalls in der Reihe vertretenen „Klassiker" Alfred schütz und Thomas Luckmann repräsentiert wird, einverleiben lässt. Allgemein lässt sich eine gewisse Nähe zur Wissenssoziologie konstruieren, wenn man einen Bogen schlägt von Handlungsprozessen und strukturgenese hin zum „Wissen", welches dadurch entsteht und verändert wird. Dieser Zusammenhang befindet sich jedoch auf einer so allgemeinen Ebene, dass man sich wundert, weshalb hier gleich das Etikett eines „Klassikers der Wissenssoziologie" vergeben werden muss. Lässt man diese Orientierungslosigkeit, die sich in Bezug auf die Wissenssoziologie einstellt, beiseite, hält man mit strübings Band jedoch eine sehr gelungene Einführung in das Werk und besonders auch zur wissenschaftlichen Vernetzung von strauss in der Hand. Hier schließt strübing eine Lücke in der deutschsprachigen strauss-Rezeption, die den theoretischen Hintergrund von strauss' soziologie bislang wenig kennt und sich oft etwas uninformiert und primär mit methodischem Interesse auf das programm der Grounded Theory stürzt, um dieses dann in empirischen studien mehr oder weniger „mechanisch" abzuarbeiten.
stephan Moebius nimmt sich des Franzosen Marcel Mauss an. Noch stärker als in den übrigen Bänden der Reihe wird hier großes Gewicht auf das wissenschaftliche Milieu gelegt. In zweierlei Hinsicht rechtfertigt sich dieses Vorgehen, war Mauss doch nicht nur ein wichtiger Mitstreiter innerhalb der Durkheim-schule, sondern auch ein am schnittpunkt von Wissenschaft und Politik engagierter Intellektueller. Mit der Darlegung dieses umfeldes lässt sich gemäß dem Autor vor allem der unbekanntheit von Mauss in Deutschland entgegenarbeiten, wo man in der Regel nur seinen Essay über die Gabe kennt. Weniger klar wird in der Folge die in der Einleitung von Moebius
gleichsam als Programm angekündigte Absicht eingelöst, im expliziten Anschluss an Lothar Peter, Moebius Lehrer, zwischen sozialen, kognitiven und wirkungsgeschichtlichen Dimensionen zu unterscheiden. Soweit sichtbar, ist jeder Band der Reihe durch diese für den gegebenen Zweck eigentlich „unspektakuläre" Struktur gekennzeichnet und folgt offenbar in erster Linie einer Entscheidung des Herausgebers.
Von allen hier behandelten Bänden zeichnet sich derjenige von Martin Endreß am stärksten durch Nähe zum wissenschaftlichen Werk des behandelten Klassikers Alfred Schütz aus. Hier ist auch die Verbindung von lebensweltlichen Bezügen und intellektuellen Einflüssen zu den Inhalten des Werks gelungen. So wird der Leser über das Kapitel zu Schütz' Prägungen auf die theoretischen Kerngehalte seines Werkes gleichsam vorbereitet und hingeführt. Über den zentralen Begriff des Sinns wird hier die damit konstitutiv in Verbindung stehende und für die Wissenssoziologie entscheidende Kategorie des Wissens unmittelbar erschlossen. Dies vermag nicht weiter zu erstaunen, ist mit Alfred Schütz, auch wenn er oft unter dem Label der „Proto-Soziologie" verhandelt wird, ein wirklich genuiner „Klassiker der Wissenssoziologie" innerhalb der Reihe vertreten. Zugleich eröffnet sich hier auch der Blick auf das Gebiet der Wissenssoziologie in engerem Sinn durch den besonderen Beitrag, den Schütz für die wissenssoziologische Tradition leistet, indem er ihr innovativ, wie Endreß darlegt, eine neue Richtung zu geben vermag: „Das Werk von Alfred Schütz markiert in der Geschichte der Wissenssoziologie einen Wendepunkt. Hatte sich die klassische, insbesondere mit den Namen von Max Scheler und Karl Mannheim verbundene Wissenssoziologie primär auf die Analyse weltanschaulichen und wissenschaftlichen Wissens beschränkt, so richtet Schütz ihr Augenmerk erstmals primär auf das Alltagswissen der Handelnden" (99). Hier, bei Schütz, wird das für ein engeres Verständnis von Wissenssoziologie wesentliche Auf-einanderbezogensein von Wissen und Wirklichkeit und von Wissen und Handeln gemäß Endreß ins Zentrum gerückt. Daran lassen sich die Fragen der Typologien des Wissens und seiner sozialen Bedingtheit eingehend analysieren, wie dies Alfred Schütz in seinem Werk getan hat.
Bernt Schnettler eröffnet die von ihm herausgegebene Reihe mit einem Band zu Thomas Luckmann, einem Schüler von Alfred Schütz. Luckmanns zentrales wissenssoziologisches Werk, das er zusammen mit Peter L. Berger in den sechziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts verfasst hat und das, als Einzelwerk, den Status klassischer soziologischer Literatur erreicht hat, ist die Gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit, welche im Untertitel - Eine Theorie der Wissenssoziologie - den entsprechenden Anspruch anmeldet. Allerdings hat dieser Untertitel, wie Schnettler unter Bezugnahme auf Luckmann festhält (86) zu Missverständnissen geführt, die wohl dem englischen Orginaltitel des Werks The Social Construction of Reality geschuldet sind. Handelt es sich doch bei Luckmanns und Bergers Unterfangen nicht lediglich um eine Sozial- sondern auch um eine Gesellschaftstheorie. Schnettler führt sodann die bekannten Abgrenzungen gegenüber „anderen Konstruktivismen" an. Die Erörterungen des Autors zu Luckmanns Verständnis von Handeln und Wissen machen im Anschluss nochmals die grosse Nähe zu Alfred Schütz deutlich, zeigen jedoch auch andere Einflüsse auf, z. B. jenen von Durkheim. Letzterer ist dann besonders im Rahmen von Luckmanns Religionssoziologie wichtig, wird jedoch von Bernt Schnettler in diesem Zusammenhang erstaunlicherweise mit keinem Wort
erwähnt. Wo Luckmann aber Durkheim nicht mehr folgt, was schnettler jedoch entsprechend nicht in den Blick bekommt (113), ist die Überlegung, dass „Religion", in welcher Form auch immer, die Integration der Gesellschaft unter ihren modernen Bedingungen noch zu sichern vermag. Vielmehr ist es gerade eine Eigenheit der modernen sozialform der Religion - ähnlich, wie dies Luckmann für die Moral aufgezeigt hat -, dass sie sich pluralisiert. Neben der Gesellschaftlichen Konstruktion der Wirklichkeit sind es insbesondere die religionssoziologischen schriften gewesen, die Luckmann einschlägig bekannt gemacht haben. Die Religionssoziologie stellt aber auch jenes Gebiet von Luckmanns Arbeit dar, das sich immer wieder beträchtlicher Kritik ausgesetzt sah und sieht. Neben der enormen Breite des Religionsbegriffs, die man als begriffstheoretische Grundsatzentscheidung akzeptieren kann, sind es begriffslogische unschärfen bis hin zu Widersprüchen in der Konstruktion der Begriffe - so etwa in der etwas verunglückten unterscheidung von Transzendenzen kleiner, mittlerer und großer Reichweiten, die sich mit der Definition von Religion als Bezug zum Außeralltäglichen nur schlecht vertragen will -, die eine kritischere Betrachtung seitens des Autors gegenüber seinem Lehrer manchmal als durchaus angebracht erscheinen ließe. Dagegen ist die Einführung durchgängig in einem merkwürdigen Ton der Verehrung gehalten, der beim Leser den Verdacht nährt, dass da einer mit etwas gar viel Gewalt in den Klassikerhimmel gestemmt werden soll.
Den sechsten Band der Reihe legt Jürgen Raab zu Erving Goffman vor. Auch hier geht es zunächst darum, den Grund darzulegen, weshalb Goffman in den Reigen der Klassiker der Wissenssoziologie aufgenommen werden soll. Goffmans herausragende stellung als soziologe ist gefestigt, und entsprechend reichhaltig ist auch die Literatur über ihn. Allerdings gibt Goffman immer wieder schwierigkeiten auf, wenn es darum geht, über inspirierende Einzelstudien hinweg den größeren Zusammenhang seines Werkes zu erkennen. Hier setzt Jürgen Raab an, indem er die Interaktionsordnung als „Leitmotiv und Generalthema" ins Zentrum stellt. Das Konzept der Interaktionsordnung eröffnet einen systematischen Zugang zum gesamten Werk Goffmans, welches Raab konzis und anschaulich darstellt. so wird von Goffman soziales Handeln „über die Analyse des konkret beobachtbaren, also situationsspezifischen, prozesshaften und schöpferischen umgangs der Akteure mit dem Gegebenen und Notwendigen gedeutet und verstanden" (12). Hier findet sich gemäß Raab auch der Ansatzpunkt für eine „neue Wissenssoziologie", auf welche Goffman entscheidend eingewirkt und hier seine spuren im wissenssoziologischen Ansatz von Peter Berger und Thomas Luckmann hinterlassen hat.
Goffman war selbst vielfältig und heterogen beeinflusst, und es gelingt Jürgen Raab, dieses Netz an Prägungen klar und übersichtlich herauszuarbeiten. Zusammen mit der inhaltlichen Einführung in Goffmans Werk entsteht ein detailliertes Bild des „Marginal Man" und „Key sociological Thinkers". Wenig zum Zug kommt die kritische Rezeption von Goffmans Werk, welche auch dessen Grenzen aufzeigen würde. Dies gilt jedoch nicht nur für den von Raab vorgelegten Band, sondern auch für die meisten anderen Bände der Reihe, und ist wohl weniger den einzelnen Autoren als dem Grundkonzept der Reihe anzulasten, welches die einführende Darstellung der inhaltlichen Auseinandersetzung vorzieht.
Unterbelichtet bleibt bei alledem die Frage, was denn Wissenssoziologie eigentlich ist oder sein soll. Man erfährt einiges über Personen, ihre Netzwerke und über wissenschaftliche Konzepte, aber wenig über die soziologische Kategorie des Wissens selbst. Vor dem Hintergrund dieses unspezifischen und sehr breiten Zugangs zur Wissenssoziologie wünscht man sich dann aber doch, dass die Reihe weitere „Klassiker der Wissenssoziologie", welche man bisher vermisst, ohne recht zu wissen warum, aufnimmt - zum Beispiel Pierre Bourdieu oder Niklas Luhmann oder auch George H. Mead, die hier eigentlich nicht fehlen dürfen. Man darf gespannt sein u. a. auf die Bände zu Michel Foucault, Helmuth Plessner und Karl Mannheim, die bereits in Arbeit sind.
Sozialstrukturanalyse
Burzan, Nicole: Quantitative Forschung in der Sozialstrukturanalyse. Anwendungsbeispiele aus methodischer Perspektive. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften 2008. 184 Seiten. ISBN 978-3-531-15550-0. Preis: € 19,90.
Simone Pape
Die meisten Bücher zur Sozialstrukturanalyse legen ihren Schwerpunkt auf die inhaltliche Beschreibung und Dokumentation der Sozialstruktur einer Gesellschaft und verzichten dabei auf eine umfassende Vorstellung geeigneter Methoden. So muss der interessierte Leser für gewöhnlich auf allgemeine Nachschlagewerke der empirischen Sozialforschung zurückgreifen, um sich über Methoden und statistische Verfahren zur adäquaten Erforschung der Sozialstruktur zu informieren. Nicole Burzan versucht mit ihrem Lehrbuch beide Teilbereiche sinnvoll zu integrieren und methodische Besonderheiten der Sozialstrukturanalyse an konkreten, sozialstrukturell relevanten Forschungsfragen zu veranschaulichen. Zwei Dinge sind ihr hierbei besonders wichtig: sie möchte dem Leser vermitteln, mit welchen methodischen Herausforderungen und Schwierigkeiten Forschende konfrontiert sind, und sie will die Sensibilität für Fragen stärken, die in der empirischen Sozialforschung berücksichtigt werden sollten.
Zunächst skizziert die Autorin prägnant und verständlich den allgemein üblichen Ablauf quantitativ orientierter Sozialforschung. In sechs weiteren Kapiteln stellen Burzan und zwei Co-Autorinnen zentrale Themen der Sozialstrukturanalyse vor, wobei sie jeweils die theoretischen und methodischen Grundlagen umreißen und die konkrete Erforschung des Themas am Beispiel verschiedener empirischer Studien und ihrer Ergebnisse veranschaulichen. Im ersten Beitrag, welcher der Erforschung von Armut gewidmet ist, wird die Wichtigkeit der Begriffs- und Konzeptbestimmung anhand der Frage nach der Verwendung des relativen oder absoluten Armutsbegriffs, des Ressourcen- oder Lebenslagenansatzes lehrreich verdeutlicht. Burzan geht auf konkrete Erhebungsmöglichkeiten von Armut ein und weist kompakt und gründlich auf zentrale Grundsätze einer quantitativen, weitgehend querschnittsorientierten Sozialstrukturanalyse hin. Die in Bezug auf die Armutsforschung nur kurz angedeutete Möglichkeit der Längsschnittanalyse
wird im Kapitel zur Altersforschung in ihren Vor- und Nachteilen skizziert. Im Vordergrund dieses Abschnitts stehen jedoch methodische Möglichkeiten zur Abgrenzung von Lebensphasen sowie Besonderheiten, die bei der Befragung älterer Menschen zu berücksichtigen sind.
Am Beispiel der bildungsspezifischen Partnerwahl erläutert die Autorin in einem weiteren Kapitel plausibel, dass die Operationalisierung einer Fragestellung auf ihr Ergebnis einwirkt und dementsprechend die Gültigkeit von Indikatoren, die Zuverlässigkeit und Repräsentativität der Daten sowie die Eindeutigkeit statistischer Maßzahlen beeinflussen kann. Konkret vergleicht sie die Operationalisierung von Bildung in Form von Bildungsjahren oder Bildungszertifikaten und behandelt dann die Auswahl der untersuchungseinheit sowie die möglichen Maße zur Feststellung von Homo- bzw. Heterogamie.
Wie ein theoretischer Ansatz der empirischen Prüfung zugänglich gemacht werden kann, zeigt Burzan am Beispiel der Individualisierungsthese. Hierzu skizziert sie zunächst die Kernpunkte der Individualisierungsthese von ulrich Beck und umreißt die Probleme der empirischen Umsetzung, um sodann die methodische Vorgehensweise zweier studien zur Überprüfung der These ausführlich darzulegen. Hierbei wird deutlich, wie wichtig es bei der empirischen Überprüfung eines theoretischen Konstrukts ist, ein empirisches Konzept schlüssig aus der Theorie abzuleiten, methodische Entscheidungen darauf abzustimmen und nach der Datenauswertung den Bogen zur Theorie wieder zu schließen.
Die co-Autorin Kerstin Rückert überprüft im vorletzten Kapitel im Rahmen einer Sekundäranalyse den Einfluss der persönlichen sozialen Lage sowie der Landeszugehörigkeit auf die Bewertung und Rechtfertigung sozialer Ungleichheit. Neben einer ausführlichen Dokumentation ihrer Vorgehensweise wägt sie Vor- und Nachteile der sekundäranalytischen Arbeit, wie z. B. die Zeit- und Geldersparnis im Vergleich zu Primärerhebungen, das Problem unpassender Items für die exakte Fragestellung und Kompatibilitätsprobleme bei der Verwendung verschiedener Datensätze gegeneinander ab.
Im letzten Kapitel stellt Brigitta Lökenhoff eine egozentrierte Netzwerkanalyse vor, in der sie die informellen Hilfenetzwerke von Müttern für die Betreuung ihrer Kinder untersucht hat. Lökenhoff betont die zentrale Rolle der Eigenschaften von sozialen Beziehungen als Spezifikum der Netzwerkanalyse und erläutert die Erhebungsweise von Namensgeneratoren und Namensinterpretatoren ausführlich. Zudem legt sie dar, wie in der Netzwerkanalyse aus der individuellen und der Relationsebene Erkenntnisse auf der Netzwerkebene gewonnen werden, die strukturaussagen hinsichtlich der Eigenschaften des Netzwerks, seiner Größe, Multiplexität sowie Tragfähigkeit ermöglichen.
Nach der Lektüre stellen sich insbesondere Fragen zu Aufbau und Inhalt des Buches: Laut Burzan soll die Verknüpfung von Forschungsmethoden mit Inhalten im Vordergrund des Lehrbuchs stehen, wobei Inhalte nur insoweit wiedergegeben werden, als sie Einfluss auf methodische Entscheidungen haben. Konkret führt dies im Buch dazu, dass methodische Möglichkeiten und Probleme pro Thema nur in Ausschnitten bearbeitet werden. so werden zwar im Verlauf die wichtigsten methodischen Fragen, z. B. zur stichprobenauswahl, Interviewform oder Variablenoperationalisierung behandelt, es bleibt aber weitestgehend dem Leser überlassen, diese auf ein spezifisches Thema bezo-
genen Analyseentscheidungen in einen übergreifenden Kontext zu anderen Sozialstrukturanalysen zu bringen. Die Gliederung des Buches nach sozialstrukturellen Themen erweist sich in diesem Zusammenhang nicht als leserfreundlich, da nach jedem Kapitel die Frage offen bleibt, wie umfassend die beschriebenen Methoden das Bearbeitungsspektrum dieses sozialstrukturellen Feldes abdecken und auf welche Themen sie noch anwendbar wären.
Hinzu kommt, dass über das Buch hinweg wichtige statistische Verfahren und Maße, wie z. B. der Median, Korrelationen, Regressionen, Kappa oder odds ratio vorgestellt werden, wobei die Erläuterungen jedoch stark zwischen bloßer Nennung und recht ausführlicher Herleitung variieren. Es steht zu befürchten, dass sich, je nach statistischer Vorbildung des Lesers, schnell das Problem der Mangel- oder Überinformation einstellen kann.
Abschließend ist festzuhalten, dass das Buch als Hagener Studientext zur Soziologie, der sich vornehmlich an Studierende richtet, sicherlich den Anspruch erfüllt, auf kleinem Raum einige wichtige Themen der Sozialstrukturanalyse vorzustellen und elementare methodische Entscheidungen und Verfahren zu erläutern. Insgesamt bekommt der Leser wertvolle Hinweise zu spezifischen Problemen der empirischen Sozialstrukturanalyse, die nun möglicherweise nicht erst in der Forschungspraxis selbst erlebt werden müssen. Die Lektüre von Burzans Lehrbuch verhilft Studierenden zu einem umfassenderen Bild der quantitativen Forschung in der Sozialstrukturanalyse. Dennoch ist das Buch, insbesondere hinsichtlich seines Nutzens außerhalb des akademischen Lehrbetriebs, ambivalent zu beurteilen: Burzan wollte Methoden und Inhalte verbinden, um den Leser für die Spezifika der empirischen Sozialstrukturanalyse zu sensibilisieren, zahlt dafür aber den Preis, beide Bereiche mitunter nur an der Oberfläche bearbeiten zu können.
Reichart, Elisabeth: Doppelte Transformation des Ernährermodells? Eine Längsschnittstudie zur Erwerbsarbeitsteilung bei ost- und westdeutschen Paaren nach der Geburt des ersten Kindes. Familie und Gesellschaft Band 20. Würzburg: Ergon-Verlag 2007. 345 Seiten. ISBN 978-3-89913-566-4. Preis: € 45,--.
Ursula Dallinger
Seit Jahren gilt das Interesse sozialwissenschaftlicher Forschung den Fragen, ob die geschlechtsspezifischen Muster der Verknüpfung von Erwerbs- und Sorgearbeit einer Transformation unterliegen, und welche Folgen insbesondere die Vereinigung der DDR mit der Bundesrepublik hatte. Die besprochene Studie analysiert diese Folgen mit dem Begriff der doppelten Transformation. Sie fragt, ob von einer „nachholenden Modernisierung" zu sprechen ist, da der Gleichstellungsvorsprung ostdeutscher Frauen auch die westdeutschen Arbeitsteilungsmuster beeinflusste. Oder aber lässt sich eine Angleichung des Ostens an das Ernährermodell beobachten? Gibt es etwa einen Wandel hin zum „dual-earner-model"? Allgemeiner formuliert geht es jedoch um die Frage, ob sich unterschiedliche strukturelle und kulturelle Kontexte in
Ost- und Westdeutschland in unterschiedlichen Verlaufsmustern von Erwerbskonstellationen niederschlagen.
Die Autorin versteht ihr Buch zum einen als Beitrag zur Transformationsforschung, der den Wandel der Geschlechterarrangements im Westen in den 1990er Jahren in den Blick nimmt. Zum zweiten will das Buch zur Erklärung der Geschlechterverhältnisse beitragen und setzt dazu an den geschlechtsspezifischen Mustern der Erwerbskonstellation von Paaren nach der Geburt des ersten Kindes an. Drittens ist die Arbeit eingebettet in die Lebensverlaufsforschung und versteht den Übergang in Elternschaft als einen „turning point", also ein Lebensereignis, an dem zentrale Weichen gestellt werden für die weiteren Geschlechterverhältnisse. Das Besondere dieser studie liegt in der Untersuchung von Erwerbskonstellationen, also der Erwerbsbeteilungsmuster auf der Ebene des Paares, und in der mit Paneldaten möglichen Analyse der Veränderung der Muster der Erwerbskonstellationen von Paaren („Verlaufstypen"). Die Wirkung der Wiedervereinigung und des strukturellen wie auch kulturellen Kontextes soll möglichst genau abgeschätzt werden. Die geschlechtsspezifischen Muster werden zurückverfolgt auf die Ebene der Arrangements der Erwerbsarbeitsteilung auf der Mikroebene der Paarbeziehungen.
Die Arbeit bewegt sich auf verschiedenen Analyseebenen, da es zum einen um veränderte Erwerbsbeteiligungsmuster nach dem Ereignis „Geburt des ersten Kindes" und zum anderen um einen Vergleich der Erwerbskonstellationen in Ost- und Westdeutschland wie auch um den Wandel dieser Geschlechterverhältnisse geht. Die Autorin stellt zur theoretischen Verankerung ihrer Fragestellungen daher die Ergebnisse und Ansätze der Lebensverlaufsforschung mit der Annahme einer den Lebenslauf geschlechterdiffe-rent strukturierenden Macht der Institutionen vor, die von einer wohlfahrtstaatlichen Regulierung der Geschlechterverhältnisse ausgehende feministische sozialpolitikforschung und die Transformationsforschung, soweit sie sich auf die Geschlechterbeziehungen und Frauenerwerbtätigkeit bezog (Kapitel 2). Kapitel 3 umreißt die Rahmenbedingungen der individuellen Lebensläufe, die im Wesentlichen aus der unterschiedlichen Lage auf dem Arbeitsmarkt, der Familienpolitik und den unterschiedlichen Geschlechterrollen bestehen und rekonstruiert, dass diese in Ost- und Westdeutschland unterschiedliche Anreize für die Erwerbskonstellation in der Paarbeziehung bedingen. Kapitel 4 bietet einen Überblick zu den bisherigen empirischen Befunden über die Erwerbstätigkeit von Eltern und geht insbesondere auf Forschungen zur Veränderung der Erwerbsarrangements beim Übergang in die Elternschaft ein. Dass nur bei Frauen die Geburt eines Kindes einen Einfluss auf die Erwerbsbeteiligung hat, nicht aber bei Männern, bestätigt einmal mehr die bekannten Muster. Formen der Arbeitsteilung, Zeitbudgets und Erwerbsverhalten weisen alle in die Richtung der Traditionalisierung der Arbeitsteilung und für Mütter und Väter differenzielle Elternschaft. Auch soziale Differenzen des Erwerbsverhaltens und des Wiedereinstiegs nach beruflicher Qualifikation und die „dual career"-Forschung werden betrachtet.
Geprüft wird insgesamt, ob es eine Konstanz der Verlaufsmuster gibt, ob eine Angleichung der ostdeutschen Erwerbsmuster von Paaren an das in Westdeutschland dominante Modell des „male breadwinners" besteht und ob eine Ausdifferenzierung der Erwerbsmuster primär in Ostdeutschland wegen des dort hohen Drucks der Anpassung an den Arbeitsmarkts und neuer, durch die sozialpolitik gesetzter Opportunitäten stattfindet. Eine weitere Hypothese ergibt sich aus der Überlegung, dass innerhalb der unter-
schiedlichen strukturellen und kulturellen Bedingungen in Ost- und Westdeutschland die individuellen Ressourcen der Paare je verschieden zum Tragen kommen. Während deutsche Frauen unabhängig von ihren Ressourcen die Erwerbsarbeit einschränken, ist der Verlauf in Ostdeutschland stärker von Ressourcen (Bildung, Einkommen) und Arbeitsmarktchancen bestimmt.
Die verschiedenen Verlaufstypen werden mit den Verfahren Optimal-Matching und Clusteranalyse (in Kapitel 6 erläuterte Verfahren) ermittelt. Diese Cluster verschiedener Verlaufstypen der Erwerbsarbeitsteilung bei Ersteltern sind dann die abhängige Variable in der multinominalen logistischen Regression, mit der die einzelnen Cluster bedingenden individuellen Ressourcen und äußeren Restriktionen analysiert werden. Die ermittelten sechs Cluster werden in Kapitel 8 dargestellt: Es handelt sich um traditionale Einverdienerpaare, neue Einverdienerpaare, kontinuierliche und diskontinuierliche Zuverdienerpaare, Doppelverdienerpaare und schließlich die verhinderten Verdienerpaare. Indem diese Verlaufsmuster vorwiegend in Ost- oder aber Westdeutschland lokalisiert werden, kann die Autorin bereits die Thesen zum Verlauf des Wandels partiell beantworten. Das vorwiegend in Ostdeutschland vorkommende Doppelverdienermodell und die dort so gut wie nicht vorhandenen Einverdienerpaare sprechen gegen eine Adaption an das westdeutsche Ernährer-Modell. Doch unterstreicht die Autorin auch die in Westdeutschland sichtbare Modernisierung des Ernährermodells hin zu den Zuverdienerpaaren.
Im Kapitel 9 werden mit multi-nominalen logistischen Regressionen die Bedingungen dieser Verlaufstypen in Form von wohlfahrtstaatlichem und kulturellem Kontext (operationalisiert durch Wohnregion, Besuch Kinderbetreuungseinrichtung) und der Ressourcenausstattung (d. h. Merkmale wie Einkommen, Bildungsabstand der Partner, Economic Dependency Index zum Ausmaß der Abhängigkeit der Partner voneinander) der Partner analysiert. Etwas sperrig wirken die vielen Kreuztabellen zu einzelnen Bedingungen, aus deren Interpretation man langwierig die Ergebnisse herausliest, die dann wegen geringer Fallzahlen wenig belastbar sind. Hier wird am ehesten der Charakter einer Qualifikationsarbeit deutlich.
Ergebnisse wie, dass Doppelverdienerpaare primär in Ostdeutschland auftreten wegen der Kinderbetreuung, dass Zuverdienerkonstellationen sich durch ein relativ hohes Einkommen der Frau auszeichnen, während in Einverdienerpaaren Männer überdurchschnittliche Einkommen haben, überraschen nicht wirklich. Dennoch: Das Buch liefert eine sehr sorgfältige, kenntnisreiche Längsschnittstudie zur Debatte um Geschlechterarrangements und deren Transformation. Auch die den bisherigen Forschungsstand auf den verschiedenen Ebenen rezipierenden Kapitel sind ein Gewinn, da sie gut und informiert geschrieben sind. In der inzwischen Regale füllenden Literatur zu den Geschlechterarrangements und den Modellen, in denen Arbeitsteilung und Lebensentwürfe aufeinander bezogen sind, sticht diese Arbeit durch ihre Verbindung von theoretischer und empirische Orientierung hervor.
Kapitalismus
Fulcher, James: Kapitalismus. Übersetzt von Christian Rochow. stuttgart: Reclam 2007. 190 Seiten. ISBN 978-3-15-018397-7. Preis: € 5,--.
Ralf Altenhof
Deutschland ist zwar ohne Zweifel „kapitalistisch", aber hierzulande bezeichnet man das nicht gerne so, von antikapitalistischen Kritikern einmal abgesehen. In angelsächsischen Ländern wie Großbritannien oder den Vereinigten staaten sieht das etwas anders aus. Dort hat man weniger scheu, das Kind beim Namen zu nennen. Und so hat James Fulcher seine studie kurz und bündig mit „Kapitalismus" überschrieben.
Der Autor, senior Lecturer für soziologie an der Universität Leicester, wirft sechs Fragen auf: „Was ist Kapitalismus?", „Woher kommt der Kapitalismus?", „Wie entwickelte sich der Kapitalismus?", „Ist Kapitalismus überall gleich?", „Gibt es einen globalisierten Kapitalismus?" und „Krisen? Welche Krisen?". Fulcher erklärt, „dass Kapitalismus mit dem Investieren von Geld zu dem Zweck, mehr Geld daraus zu machen, verbunden ist. [...] Märkte ermöglichen den Wettbewerb zwischen Unternehmungen, erzeugen aber gleichzeitig Tendenzen zu Konzentrationen, die Unsicherheiten vermindern. Marktschwankungen bilden außerdem die Grundlage für eine spekulative Form des Kapitalismus, die vielleicht nicht produktiv ist, gleichwohl aber auf Mechanismen beruht, die für das Funktionieren einer kapitalistischen Ökonomie von zentraler Bedeutung sind" (29 f.). Der Verfasser liefert sowohl eine Einführung in den Kapitalismus als auch eine knappe Geschichte des Kapitalismus. Dieser sei zwar in Großbritannien zum Durchbruch gekommen, letztlich müsse er aber als europäisches Phänomen betrachtet werden. Das Fehlen einer in sich geschlossenen europäischen Elite, die Entstehung unabhängiger stadtstaaten und die zersplitterte politische struktur Europas habe den Aufstieg des Kapitalismus befördert.
Fulcher beschreibt die Entwicklung vom „anarchischen Kapitalismus" über den „gesteuerten Kapitalismus" bis zum „revitalisierten Marktkapitalismus" unserer Tage. Unter Verweis auf schweden, die UsA, Japan und Deutschland analysiert er die Vielfalt der kapitalistischen Erscheinungsformen. Nationale Unterschiede bestünden auch weiterhin unter den Bedingungen des revitalisierten Marktkapitalismus. „Die These, dass die Marktkräfte zwingend und zunehmend in einer kapitalistischen Gesellschaft die Politik überwältigen, lässt sich nicht aufrecht erhalten, denn die vergleichende Betrachtung der Kapitalismen lehrt, dass ganz unterschiedliche organisatorische und institutionelle strukturen die Wiederbelebung der Marktkräfte überdauert haben und vollkommen mit funktionierenden Marktmechanismen kompatibel sind" (122).
Der soziologe konstatiert zwar globale Tendenzen im Kapitalismus, etwa mit Blick auf die Märkte für Waren und Dienstleistungen, für Kapital und Arbeit, warnt aber zugleich vor Mythen. Von einer globalen Zirkulation des Kapitals könne angesichts der begrenzten Zahl beteiligter Länder eigentlich keine Rede sein. Ohnehin spielten die Nationalstaaten für die Aktivitäten der internationalen Konzerne nach wie vor eine schlüsselrolle. Zudem stellt der Verfasser eine Vereinheitlichung der Welt infolge der Globalisierung in Abrede. Der Abstand zwischen den ärmsten und den reichsten
Ländern sei den Entwicklungsberichten der Vereinten Nationen zufolge eher größer geworden.
Fulcher glaubt dennoch nicht an eine, von einigen eher herbeigesehnte, „finale Krise" des Kapitalismus. „Krisen sind zweifellos ein wiederkehrendes Merkmal der kapitalistischen Ökonomien, doch das Gleiche gilt auch für die erstaunliche Fähigkeit, neues Wachstum zu erzeugen, wenn die Krise erst einmal vorbei ist" (177). Mit dem Zusammenbruch des Sozialismus sei die letzte Alternative verschwunden. Deshalb hält er die Suche nach einer Alternative zum Kapitalismus für verlorene Mühe. Sinnvoll sei allein die Konzentration auf Veränderungen innerhalb des Kapitalismus. „Es gibt unterschiedliche Kapitalismen, und der Kapitalismus hat in seiner Geschichte viele Transformationen erlebt. Um Reformen durchzuführen, muss man sich jedoch auf den Kapitalismus einlassen. Bewegungen, die außerhalb stehen und sich darauf beschränken, gegen ihn zu demonstrieren, können keine Reformen verwirklichen" (179).
Auch wer nicht jeder These Fulchers beipflichten möchte, kann konzedieren, dass es sich um ein lesenswertes Buch handelt. Es vermittelt einen instruktiven Überblick über jene Wirtschaftsordnung, die sich im Kampf der Systeme durchgesetzt hat. Der Autor erweist sich weder als blinder Kapitalismuskritiker noch als naiver Befürworter, der Probleme ins Reich der Legenden verbannt. um ein realistisches und gehaltvolles urteil abzugeben, ist dies nicht die schlechteste Position, zumal nach den jüngsten Turbulenzen an den Aktienmärkten.
Soziale Ungleichheit
Lengfeld, Holger: Organisierte ungleichheit. Wie Organisationen Lebenschancen beeinflussen. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften 2007. 345 Seiten. ISBN 978-3-531-15232-5. Preis: € 26,90.
Stefan Hradil
Der Grundgedanke des Lehrbuchs von Holger Lengfeld ist ebenso einfach wie richtig: Die soziologische Beschreibung und Erklärung sozialer ungleichheiten vollzieht sich bislang entweder auf der Makroebene gesamtgesellschaftlicher Strukturen oder aber auf der Mikroebene der individuellen Ausstattung. Die offenkundige Tatsache, dass Organisationen auf der Mesoebene bei der Verteilung knapper begehrter Güter kräftig mitwirken, wird von der Soziologie sozialer ungleichheit in aller Regel ignoriert. Der Verfasser dieser Zeilen macht da keine Ausnahme. Dieses Feld überlässt man einschlägigen Studien zum Beispiel der politischen, der Industrie- und der Bildungssoziologie, ohne diese Befunde aber ungleichheitssoziologisch zu integrieren. Um diese Lücke zu füllen, schrieb Holger Lengfeld ein Lehrbuch, das die verfügbaren untersuchungen und Ergebnisse zur Ungleichheitsproduktion von Organisationen systematisch zusammen-fasst. Ein verdienstvolles Unterfangen, das sich, wie zu zeigen sein wird, auch durch die Art seiner Realisierung Meriten erwirbt.
Die einführenden Kapitel befassen sich mit der Analyse von Organisationen und deren theoretischer Einbettung in die Ungleichheitsstruktur sowie mit der Unterscheidung von Produktions- und Verhandlungsorganisationen.
Danach geht Lengfeld auf die Produktionsorganisationen ein. Den Arbeitsorganisationen, die Einkommen und Aufstiege ungleich verteilen, und den Bildungsorganisationen, die Wissen und Bildungszertifikate unter die Leute bringen, widmet er je ein Kapitel. Inwieweit Verhandlungsorganisationen, konkret: Gewerkschaften und Betriebsräte, das Gefüge sozialer Ungleichheit beeinflussen, stellt Lengfeld in den folgenden beiden Kapiteln dar.
Dabei sind aufschlussreiche, empirisch gesicherte Befunde zu lesen. Holger Lengfeld verfügt über eine bewundernswerte Literaturkenntnis. Es gelingt ihm, seine Befunde gleichermaßen differenziert und übersichtlich auszubreiten. Ausdiskutiert und interpretiert werden sie jedoch nur in Grenzen. Einige Kostproben mögen dies verdeutlichen:
• so lernt der Leser, dass eine zeitweise Leistungsdifferenzierung in schulen („Grou-ping") nachweislich Unterschichtkindern nützt, eine andauernde Leistungsdifferenzierung („Tracking") nützt dagegen Mittelschichtkindern. Es wäre sicher hilfreich gewesen, diese Forschungsresultate im Kontext der gegenwärtigen Bildungsdebatte zu diskutieren.
• Oder: Gewerkschaften erhöhen die Löhne ihrer Mitglieder im Verhältnis zu den Löhnen der unorganisierten Beschäftigten. Gewerkschaften nivellieren also nicht nur Ungleichheiten, sie schaffen sie auch. Inwieweit damit Ungleichheiten des Arbeitslosigkeitsrisikos und möglicherweise auch eine steigerung der Niveaus der Arbeitslosigkeit insgesamt einhergehen, diskutiert der Verfasser allerdings nur am Rande (242).
• schließlich ein drittes Beispiel: Betriebsräte schaffen nachweislich Lohnsteigerungen zu Lasten der Unternehmensprofite. Interessiert hätte mich in diesem Zusammenhang aber auch, was dies für die Chancen dieser Unternehmen und damit für den Erhalt von Arbeitsplätzen bedeutet.
Im Unterschied zu den meisten Lehrbüchern stellt Lengfeld nicht aus den bloßen Forschungsergebnissen ein scheinbar objektives Bild der Realität zusammen. stattdessen referiert er die jeweiligen studien in systematischer Anordnung unter Bezugnahme auf deren Ansatz und Vorgehensweise. Gelegentlich geht er auch auf den Forschungsstand und auf Widersprüche der Forschungsergebnisse ein. Dadurch ermöglicht er es den Lesern, die Tragweite, unter Umständen auch die Perspektivegebundenheit der dargestellten Ergebnisse selbst begründet einzuschätzen. Nebenbei lernt der Leser auch manches über die empirische sozialforschung. Lengfeld ermöglicht so dem Leser ein stück Emanzipation von der „olympischen" stellung eines Lehrbuchverfassers.
Der Großteil der referierten und übersichtlich zusammengestellten Untersuchungen und Befunde kommt aus den UsA. Nun ist aber deren Übertragbarkeit (z. B. wegen hierzulande existierender Flächentarifverträge) oft problematisch. Darauf geht Lengfeld schon pauschal ein, ohne aber die Übertragbarkeit vieler Einzelbefunde zu diskutieren.
Die didaktische Aufbereitung des Lehrbuchs ist konsequent durchgehalten. Innerhalb der Kapiteltexte achtet der Verfasser streng auf eine formal logische und durchsichtige
Struktur. Die Strukturierung ist so ordentlich, dass ich mir bei der Lektüre gelegentlich eine unordentliche Abschweifung gewünscht hätte, und nicht so häufig „erstens", „zweitens", „drittens"...
Jeden Abschnitt innerhalb eines Kapitels und jedes Kapitel beschließt eine Punkt für Punkt strukturierte Zusammenfassung. Konsequenterweise beschließt eine Zusammenfassung aller inhaltlichen Ergebnisse auch das gesamte Lehrbuch (in Kapitel 9). Sie stellt die Zusammenfassung der Kapitelzusammenfassungen dar, welche ihrerseits die Abschnittszusammenfassungen zusammenfassen.
Danach folgt nur noch ein sehr kurzes Kapitel, in dem Lengfeld skizziert, „was man aus der organisierten Ungleichheit lernen kann" (303). Praktischen Nutzen verspricht der Verfasser seinen Lesern, indem sein Lehrbuch sie bei der Wahl von Organisationsmitgliedschaften beraten könne. Kennt das Individuum die darin vorgestellten Kausalitäten, so kann es, meint Lengfeld, seine Organisationsmitgliedschaften strategisch planen, indem es Mitglied in Organisationen mit vorteilhaften Strukturelementen wird. Tatsächlich befolgen Mittelschichteltern diese Empfehlung Lengfelds immer häufiger, indem sie zum Beispiel ihre Kinder bevorzugt in Schulen schicken, die von möglichst vielen gut gestellten Schülern besucht werden. Aber warum befolgen die Leute Lengfelds explizite Empfehlung, Gewerkschaften beizutreten, immer seltener? Zu kurz und skizzenhaft bleibt dieses Schlusskapitel, um darauf einzugehen.
Der wirklich ernsthafte Mangel des Lehrbuchs stellt die (in Kapitel 3) unzureichende Einordnung der dargestellten Studien(-befunde) in einen Bezugsrahmen und damit in die herkömmliche Soziologie sozialer Ungleichheit dar. Dies gelingt schlichtweg nicht. Indem er Makrostrukturen völlig außen vor lässt, und so auch auf die Verschränkung von Makrostrukturen (Arbeitsmarkt, technologische Entwicklung, Globalisierung etc.) mit Organisationen auf der Mesoebene nicht eingehen kann, erweckt Lengfeld den Eindruck, dass Organisationen (insbesondere Bildungseinrichtungen und Unternehmen bzw. Betriebe) mehr oder minder autonom die zu verteilenden Ressourcen hervorbringen und eine Primärverteilung vornehmen. Lediglich der Wohlfahrtsstaat und die Familie werden von Lengfeld als weitere Verteilungsinstanzen gesehen. Dieser Eindruck der Dominanz von Organisationen im Ungleichheitsgefüge entsteht, obwohl sich Lengfeld am Schluss seines Lehrbuchs verbal sehr zurückzieht und Organisationen nur mehr eine „Feinsteuerung" (301) der Zuweisung von Lebenschancen zubilligt. „Organisationen moderieren die Verteilung von Lebenschanchen, indem sie die durch primäre Determinanten sozialer Ungleichheit (soziale Herkunft, Klassenlage, Geschlecht) erfolgten Verteilungen aufgreifen und durch Variation ihrer Strukturelemente verändern" (301). Hinter den erwähnten Determinanten stehen aber Ursachen sozialer Ungleichheit, die teilweise im Makrobereich anzusiedeln sind.
Es gibt „keine systematische Theorie, die die Rolle von Organisationen im Zusammenhang mit der institutionellen Struktur sozialer Ungleichheit und ihrem Wandel zu klären versucht", schreibt Lengfeld (301). Das mag schon sein. Ich meine allerdings, dass man in Reinhard Kreckels „Politischer Soziologie sozialer Ungleichheit" schon wesentliche Teile hiervon lesen kann. Deren Einarbeitung hätte der makro-konzeptionellen Schwäche des Lehrbuchs vielleicht nicht völlig abgeholfen, aber sie doch vermindert.
Bevölkerungssoziologie
Lutz, Wolfgang, Rudolf Richter und Chris Wilson (Hrsg.): The New Generations of Europeans. Demography and Family in the Enlarged European Union. London and Sterling: Earthscan. Population & Sustainable Development Series. London/Sterling, VA: IIASA and Earthscan 2006. 389 Seiten. ISBN 978-1-84407-351-1. Preis: £ 24,95.
Johannes Huinink
Übersichten über die demografische Entwicklung oder die Bevölkerungs- und Familienpolitik in Europa gibt es viele. Der von Wolfgang Lutz, Rudolf Richter und Chris Wilson herausgegebene Band verfolgt ein umfassenderes Anliegen: Er verbindet vergleichende Darstellungen empirischer Befunde zu den Bereichen Geburtenentwicklung, Familien- und Lebensformen, Migration sowie Familie und Gesundheit in den alten und neuen Mitgliedsländern der europäischen Union mit Schlussfolgerungen für die zukünftige soziodemografische Entwicklung und die sich daraus ergebenden Herausforderungen in Europa. Diese dürfen dann durchaus auch mal spekulativ sein. Der Band ist im Rahmen einer langjährigen Arbeit des „European Observatory on the Social Situation, Demography, and Family" entstanden.
Der Aufbau des Bandes ist im Prinzip seinem Anliegen gemäß gestaltet. Im ersten Teil werden kurze Einführungen zur demografischen und sozialen Situation in der Europäischen Union gegeben. Daran schließen sich auf die genannten Themen fokussierte Teile an, die aus je drei Beiträgen bestehen. Der erste Beitrag befasst sich jeweils mit der Situation in den alten Mitgliedsstaaten (EU15), der zweite Beitrag geht auf die neuen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union ein, die im Jahr 2004 beigetreten sind. Jeder Teil wird durch einen dritten Beitrag über die Zukunft des erweiterten Europas zum Thema komplettiert. Im letzten, dem sechsten Teil des Bandes, folgen unter dem Titel „Zukünftige Herausforderungen der Europäischen Union" zwei Beiträge. Der erste handelt von der Bedeutung der Zivilgesellschaft und Familie für den Aufbau sozialen Kapitals und im zweiten werden abschließende Reflexionen zu den thematischen Schwerpunkten vorgestellt. Insgesamt bieten die Autoren informative Beiträge zu so-ziodemografischen Entwicklungen in Europa, denen man in einem durchaus positiven Sinne anmerkt, dass es um eine möglichst handgreifliche Darstellung von Ergebnissen ging. Man verzichtet auf komplexe Analysen, der aktuelle Forschungsstand diesbezüglich wird in den einzelnen Abhandlungen aber meist beachtet. Es versteht sich von selbst, dass man Kompromisse machen musste, die in der einen oder anderen Hinsicht Kritik herausfordern. Ich will diese modifizierte, aber zweifelsfrei sehr positive Einschätzung des Bandes verdeutlichen, indem ich einen kurzen Durchgang durch die Kapitel mache.
Wolfgang Lutz und chris Wilson berichten in ihrem Einleitungskapitel einige globale Rahmenparameter des demografischen Wandels in Europa, verweisen dabei vor allem auf das Alterungsproblem und benennen mögliche, durchaus bekannte Wege, diesem demografisch zu begegnen. In dem zweiten Beitrag des Einleitungsteils zeigen Constantinos Fotakis und Fritz von Nordheim in einem knappen Ländervergleich des demografischen Wandels, dass das Alterungsproblem innerhalb der Europäischen Union unter-
schiedlich gravierend ist. Große Differenzen zwischen den Ländern gibt es auch in der Lebenslage der Menschen, womit korrespondiert, dass die nationalen sozialpolitischen Programme verschieden gestaltet sind. Dieses wird recht kursorisch dargestellt, was wohl der gebotenen Kürze der Einleitung geschuldet ist. Doch den einen oder anderen Verweis auf existierende, weiterführende Literatur hätte man ergänzen können.
Zum ersten inhaltlichen Schwerpunkt, der Geburtenentwicklung in Europa, werden wir von Juan Antonio Fernández Cordón und Zsolt Spéder zunächst mit den demografischen Trends in der EU15 und in den Beitrittsländern des Jahres 2004 vertraut gemacht. Während Spéder, sehr wohl um die Probleme eines solchen Zugangs wissend, nur auf periodenspezifische Maße zurückgreift und damit den Wandel, d. h. den Rückgang der Geburtenhäufigkeiten in Osteuropa belegt, präsentiert Cordón auch kohortenbezogene durchschnittliche Kinderzahlen. So belegt er den starken Aufschub der Familiengründung sowie die tendenzielle Zunahme nichtehelicher Geburten im Vergleich. Er verdeutlicht u. a. die großen Unterschiede, die es diesbezüglich zwischen Süd- und Nordeuropa gibt. Aus Modellrechnungen von Eurostat, deren Grundlagenannahmen nur kurz reflektiert werden, schlussfolgert er, dass man in der EU15 nicht erwarten könne, jemals wieder eine durchschnittliche Kinderzahl von zwei und mehr zu erreichen. Was das demografisch bedeutet, erläutert er anschließend, wobei die Argumente auch hier weitgehend bekannt sind - auch was die Frage der Rolle der Migration angeht. Die unweigerliche Herausforderung, die sich daraus ergibt, ist es, mit geeigneten Mitteln die Auswirkungen sinkender Bevölkerungszahlen durch eine bessere Ausschöpfung des Arbeitskräftepotentials, Produktivitätssteigerung und Maßnahmen zur Sicherung der Lebensbedingungen der Alten und ihrer Pflege zu kompensieren. Nach einer kurzen theoretischen Darstellung von ursachen des Geburtenrückgangs kommt cordón zu einer klaren Diagnose: Der Wandel der sozialen und kulturellen Rahmenbedingungen hat mit den Anforderungen, die sich aus einer Aufkündigung des bürgerlichen Familienmodells durch den Wandel der Geschlechterverhältnisse ergeben haben, nicht Schritt gehalten. Je größer dieser Widerspruch ist, umso niedriger sind die Geburtenraten. Das sollte nicht so bleiben: es bedürfe daher eines neuen „sozialen Vertrages". Zsolt Spé-der, der neben den osteuropäischen Geburtentrends auch Heiratsraten präsentiert und große unterschiede zwischen den neuen Mitgliedsstaaten der Eu verdeutlicht, geht im zweiten Teil seines Beitrages auf lebensform- und kinderbezogene Einstellungen in diesen Ländern ein, die er als wichtige Determinanten des generativen Verhaltens ansieht. Auch er formuliert am Ende eine zentrale Schlussfolgerung: Da es noch relativ hohe Kinderwünsche und eine relativ starke Ablehnung von Kinderlosigkeit gebe, sei eine Kehrtwende des Geburtenrückgangs zu erwarten. Wie man sich das genau vorzustellen hat, wird nicht im Detail erörtert. Es wird deutlich, dass die Bestandsaufnahmen in den beiden Beiträgen doch relativ heterogen und nicht einfach aufeinander beziehbar sind. Demgegenüber entfaltet Wolfgang Lutz in seinen, auf die zukünftige Entwicklung gerichteten Erörterungen im dritten Beitrag dieses Teils eine Vielzahl von demografischen, soziologischen, ökonomischen und ökologischen Argumenten für und wider einen erneuten Anstieg der Geburtenzahlen. Er zeigt, wie komplex Erklärungs- und Prognoseversuche von Fertilitätstrends im internationalen Vergleich sein müssen und bescheinigt seinem Kapitel denn auch eher einen „vorbereitenden" Charakter. Aus meiner Perspektive drängt sich immer wieder die Frage nach einer gemeinsamen theoretischen
Grundlage ab, die es erlaubt, die im Einzelnen plausiblen Argumente systematisch zusammenzubringen. Diesen notwendigen und, aus meiner Sicht, machbaren Schritt tut Lutz in seinem Beitrag nicht.
Das zweite „Tripel" von Beiträgen bezieht sich auf Familien- und Lebensformen im Übergang zum Erwachsenenalter. Giovanni B. Sgritta zeichnet in seiner lesenswerten „Narration", möchte man fast sagen, ein empirisch differenziertes Bild der Situation junger Erwachsener in den EU15-Staaten. Er geht vom sozialen Wandel im Zuge der ersten Phase der Modernisierung aus und versucht zu begründen, dass dieser seit Mitte des letzten Jahrhunderts neue Fahrt aufgenommen habe zur „Second ,Great Transformation'", ganz im Sinne des Ansatzes des Zweiten Demografischen Übergangs oder der These vom zweiten Individualisierungsschub. Im Zentrum steht der Rollenwandel der Frau. Dabei betont und belegt er explizit deutliche Kontraste zwischen verschiedenen Ländern (,families of nations'), die einem unterschiedlichen Grad von Familialismus, voneinander abweichenden Systemen wohlfahrtsstaatlicher Leistungen und den daraus erwachsenen, demografisch zum Teil paradoxen Auswirkungen entsprechen. So folgt er in seiner länderbezogenen Klassifikation denn auch Esping-Andersen, um dann systematisch wesentliche Übergänge - er spricht von „gates" - im Zuge des Erwachsenwerdens in der EU15 unter die Lupe zu nehmen: Ausbildung, Erwerbsbeteiligung, Heirat und Familiengründung sowie den Auszug aus dem Elternhaus. Das ist sehr informativ, wobei ich an wenigen Stellen Unklarheiten im Hinblick auf Daten in den Tabellen sehe. Siyka Kovacheva betont die Paradoxien in den Veränderungen rund um den Übergang ins Erwachsenenalter in Osteuropa. Sie erläutert das am Beispiel der ökonomischen und sozialen Verselbständigung junger Menschen. Diese waren von den zunehmenden biografischen Unsicherheiten einerseits und vergrößerten Chancen andererseits geprägt, die die gesellschaftliche Transformation in diesen Ländern mit sich brachte. Die Grenze zwischen Ausbildung und Erwerbstätigkeit verwischt, der Übergang zum eigenen Haushalt und zu einer eigenen Familie wird aufgeschoben und unkonventionelle Lebensformen gewinnen an Bedeutung. Die Herkunftsfamilie als Quelle von materieller Unterstützung gewinnt an Bedeutung. In ihrem abschließenden Beitrag greift Claire Wallace die nicht immer überzeugende Paradoxie-These auf. Ihr geht es dabei um die Frage von Konvergenz und Divergenz in Europa. In zwei verschiedenen Szenarien versucht sie einen Blick auf mögliche Zukünfte der jungen Generation in Europa. Können wir ein Regime lebenslanger „Flexibilität und Integration" erwarten, in dem für nachfolgende Generationen die Risiken eines Scheiterns durch in allen Phasen des Lebenslaufs hinreichend gebotene Optionen der Lebensgestaltung entschärft werden? Oder müssen wir mit „Polarisierung und Exklusion" rechnen, wonach die Scheidung zwischen Gewinnern und Verlieren von Generation zu Generation weitergetragen oder gar verschärft wird und die Interessen der älteren Generation den Gang der Dinge bestimmen? Um die innere Logik dieser Szenarien ganz zu verstehen, wäre eine etwas ausführlichere und empirisch stärker untermauerte Analyse sicherlich vorteilhaft gewesen.
Eine ausführliche Beschäftigung mit dem wichtigen Migrationsthema im Kontext einer soziodemografischen Gesamtschau ist eher selten. Genau das wird im dritten inhaltlichen Teil des Bandes geboten - zunächst wiederum allein für die EU15-Staaten. Johannes Pflegerl führt nach einem kurzen begrifflichen und historischen Überblick die wesentlichen Migrationstrends in der Zeit von 1998 bis 2004 vor: die zum Teil dras-
tisch ansteigende Zu- und Abwanderung in und aus einzelnen EU15-staaten, die leicht ansteigenden Ausländeranteile und die Rolle der Migration für die Bevölkerungsentwicklung. Dann wendet er sich spezifischer der Arbeitsmigration, der familienbedingten Migration, der Zuwanderung von Asylbewerbern und irregulärer Migration sowie darauf bezogener politischer Reaktionen in einzelnen Mitgliedsstaaten zu. Zum schluss vermittelt er einen kurzen Eindruck zur Einstellung der Bürger gegenüber staatsbürgerlichen Rechten von Migranten. In allen Bereichen kann man keineswegs von einem einheitlichen Bild in Europa ausgehen. Die zum Teil beträchtlichen Differenzen in Trends und Politik überwiegen. Was die EU15-Staaten dennoch eint, so Pflegerl resümierend, ist, dass keiner sich als Einwanderungsland verstehen will. Für Osteuropa stellt sich die situation anders dar, wenngleich von Land zu Land ebenfalls sehr unterschiedlich, wie Dusan Drbohlav deutlich macht. Im Zuge der Transformation in diesen Ländern ist eine starke Belebung des Migrationsgeschehens erfolgt. Die Abwanderung flaut ab und, so der Autor, es zeigen sich Anzeichen für eine Angleichung an EU15-Verhältnisse mitsamt den Problemen, die dort auftreten, wobei Drbohlav die Baltischen staaten ausnimmt. Wie für die alten Mitgliedsländer der europäischen Union wird für die neuen Mitgliedsstaaten insgesamt eine aktive Einwanderungspolitik als notwendig erachtet. Auch catherine Wihtol de Wenden sieht in ihrem abschließenden Beitrag zu diesem Thema Europa als Immigrationsregion wider Willen. sie betont, dass jedes Land die Kontrolle über die Zuwanderung behalten will. Dennoch kann sie auf erste schritte zu einer Europäisierung der Migrationspolitik verweisen, die allerdings aus ihrer sicht widersprüchlich sind. Man versuche die „Festung Europa" zu erhalten, das gleichwohl auf absehbare Zeit auf Immigration eingewiesen sei und dem Immigrationsdruck, das zeige sich jetzt schon, nur schwer standhalten könne. Dazu wird eine Reihe von plausiblen Forderungen formuliert, die eine ausführlichere Diskussion wert wären.
Der letzte inhaltliche Teil beschäftigt sich mit Familie und Gesundheit. Wieder geht es in dem ersten Beitrag, der von Hans-Joachim schulze geschrieben wurde, um die EU15-staaten. Der Autor setzt sich zunächst konzeptionell mit dem Verhältnis zwischen Familie und Gesundheit auseinander und entwickelt ein sehr instruktives mehrstufiges schema, das eine systematische Betrachtung zu fundieren erlaubt. Dann wird aus der perspektive des Lebenslaufs dieses Verhältnis unter Beachtung seiner Einbettung in eine mehrfach differenzierte gesellschaftliche Umwelt Lebensphase für Lebensphase, gleichsam von Wiege bis zur Bahre, durchgespielt und durch Verweise auf die empirische situation in Europa ergänzt. Nur kurz werden die unterschiedlichen Gesundheitssysteme in Europa angesprochen. Anschließend wird anhand von drei nationalen Beispielen der Gesamtzusammenhang zwischen „Familiengesundheit" und staatlicher Gesundheitsversorgung verdeutlicht. Angesichts der großen Unterschiede in Europa scheint hier eine einheitliche Gesundheitspolitik illusorisch zu sein. Vielleicht kann sie sich, so schulze, über die zwischenstaatliche Konkurrenz im Hinblick auf ihre Leistungsfähigkeit gleichsam ergeben, was natürlich auch an Voraussetzungen geknüpft ist. Der folgende Artikel von christoph sowada gibt keinen umfassenden, empirischen Überblick über die Beitrittsländer in Osteuropa. Er konzentriert sich auf eine exemplarische, differenzierte Darstellung des polnischen Gesundheitssystems und seines Wandels. An diesem Beispiel verdeutlicht er probleme bzw. Herausforderungen und erläutert die polnische Diskussion um die mehr oder weniger Erfolg versprechenden Reformschritte, mit denen
ihnen begegnet werden soll. Der Bezug zur Familie bleibt außen vor. Einen empirisch vergleichenden Überblick über relevante Parameter der gesundheitlichen Verfassung der Bevölkerung Europas liefert der dritte Beitrag von Robert Andersen. Er stellt statistische Informationen zum (subjektiven) Gesundheitszustand, zur Gesundheitsversorgung und deren wahrgenommener Qualität und zur Bedeutung der Familie für Gesundheit und Pflege vor.
Im abschließenden Teil des Bandes beschäftigen sich zwei Beiträge aus sehr unterschiedlicher Perspektive mit den demografischen und sozialen Herausforderungen des zukünftigen Europas. Jan Marbach widmet seinen Beitrag der Bedeutung von Familie und Zivilgesellschaft für die Gewinnung sozialen Kapitals - individuell und kollektiv. Er spricht damit einen wichtigen inhaltlichen Bereich an, der einen eigenen Teil mit mehr als einem Beitrag in dem Band verdient hätte. Es geht zum einen um die individuellen Ressourcen, die aus sozialen Beziehungen und der Mitgliedschaft in sozialen Gruppen heraus zugänglich sind. Zum anderen wird soziales Kapital als kollektive Ressource durch Vertrauen und Partizipationsmöglichkeiten in sozialen Beziehungen (und Institutionen) als Grundlage sozialen Zusammenhalts betrachtet. Bezogen auf Letzteres werden international vergleichende empirische Ergebnisse vorgestellt. Es mag der Datenlage geschuldet sein, dass zum individuellen sozialen Kapital lediglich Befunde aus dem deutschen Familiensurvey referiert werden. Das kann als Hinweis darauf gewertet werden, dass man sich im internationalen Maßstab diesen Fragen stärker annehmen muss.
Im letzten Kapitel kommentiert Landis MacKellar als „an American living in Europe" gleichsam mit dem Blick von außen die vorgestellten Befunde, Ideen und Spekulationen. Er geht alle Bereiche und Beiträge noch einmal durch, bringt, bisweilen auf amerikanische Erfahrungen verweisend, zusätzliche Überlegungen ein und zeigt interessante Widersprüche auf, die zum Teil als Dilemmata auf den Punkt gebracht werden: gleich, ob es sich um die Geburtenentwicklung, die finanziellen und sozialen Herausforderung der Alterung oder die Migrationsfrage handelt. Die Themen werden nur andeutungsweise miteinander verknüpft. Sein Beitrag bietet viel Stoff für Diskussionen, der sich nur unzulänglich in MacKellar's drei Wünschen für Europa, wenn er sie denn frei hätte, widerspiegelt: „(i) flexibilize the labor market, (ii) rationalize university system and (iii) get serious about assimilating immigrant communities".
Alles in allem kann man diesem Band attestieren, dass er eine Fundgrube für Informationen und Ideen zur soziodemografischen Entwicklung in Europa darstellt, in der es sich zu stöbern lohnt. Es gibt Redundanzen. Zum Teil sind die Beiträge nicht optimal abgestimmt und das Konzept wird nicht immer durchgehalten. Auch die Verbindung zwischen den vier inhaltlichen Komplexen wird, trotz der Überlegungen im letzten Kapitel, nicht so hergestellt, wie es die Interdependenz der angesprochenen Bereiche erfordern würde. Das wäre aber vielleicht eine Überforderung gewesen und hätte einen ungleich höheren Koordinations- und Diskussionsaufwand erfordert als er ohnehin diesem Band schon zugrunde liegt. Dafür bräuchte es eine Monografie. Meine kritischen Punkte können das positive Gesamtbild des Bandes aber nicht entscheidend trüben. Ich habe ihn schon mit großem Gewinn in meiner Arbeit benutzt und er hat mir bei der Vorbereitung eigener Beiträge gute Dienste geleistet. Ich kann ihn daher allen, die sich
einen Überblick über den soziodemografischen Wandel in Europa verschaffen wollen, sehr zur Lektüre empfehlen.
Rechtsextremismus
Rippl, Susanne, Dirk Baier und Klaus Boehnke unter Mitarbeit von Angela Kindervater und Andreas Hadjar: Europa auf dem Weg nach rechts? Die EU-Osterweiterung und ihre Folgen für politische Einstellungen in Deutschland, polen und der Tschechischen Republik. Analysen zu gesellschaftlicher Integration und Desintegration. Wiesbaden: Vs Verlag für sozialwissenschaften 2007. 201 seiten. IsBN 978-3-531-14691-1. Preis: € 28,90.
Wolfgang Kühnel
Im Verhältnis zu den umfangreichen Forschungsaktivitäten, die die jüngste EU-Erweiterung 2004 in der vergleichenden politikwissenschaftlichen Forschung begleiteten, sind die Bemühungen, die sozialen und politischen Folgen der EU-Osterweiterung für Rechtsextremismus und Nationalismus zu untersuchen, eher bescheiden. Deshalb ist es bemerkenswert, wenn sich sozialwissenschaftler mit der Frage beschäftigen, welche Folgen die EU-Osterweiterung für die Mobilisierung von nationalistischen und fremdenfeindlichen Einstellungen, insbesondere in den Grenzregionen Deutschlands, Polens und der Tschechischen Republik, hat.
Im ersten Kapitel der vorliegenden studie werden die Leser wohlweislich darauf eingestimmt, dass die Veröffentlichung nicht als ein einheitliches Gesamtwerk konzipiert ist. Es handelt sich vielmehr um einen sammelband von aufeinander bezogenen Beiträgen, die auch Wiederholungen und Überschneidungen enthalten. Im zweiten Kapitel diskutieren die Autorinnen und Autoren Theorien der Rechtsextremismus- und Vorurteilsforschung, die sich für die zentrale Fragestellung der Untersuchung als relevant erweisen. Dabei greifen sie auf identitätstheoretische, konflikttheoretische, anomietheo-retische, desintegrations- und deprivationstheoretische Erklärungen wie auch auf Theorien des Autoritarismus und das Konzept des Hierarchischen selbstinteresses zurück.
Die Theorien werden in ein Mehrebenenmodell als Ansätze für verschiedene MikroMakro-Verbindungen integriert, bei dem die „integrated threat theory of prejudice" von stephan und stephan einen zentralen Ansatz darstellt. Mit Hilfe des Bedrohungskonzepts, differenziert in realistische Bedrohung, symbolische Bedrohung, Intergruppenangst und negative stereotype, versuchen die Autoren nicht nur unterschiedliche Ansätze auf der Mikro- und Makroebene einzubinden, sondern auch den Zusammenhang zwischen Wandlungsprozessen und individuellen Reaktionen zu erklären. Bedenkenswert für die Fragestellung wären möglicherweise ebenso die Analysen im Zusammenhang mit der von Agnew entwickelten generellen straintheorie gewesen. Das dritte Kapitel ist den Erhebungsmethoden und der Beschreibung der stichprobencharakteristika vorbehalten. Für die studie wurden vier stichproben gezogen, drei aus den Grenzregionen Polens, der Tschechischen Republik und Deutschlands und eine weitere Repräsentativstichprobe der deutschen Bevölkerung. Da die Untersuchung nicht als Längsschnitt-, sondern als
Querschnittbefragung angelegt ist, versuchen die Autoren das nicht ganz einfache methodische Problem des sozialen Wandels mit einem faktoriellen Design zu modellieren. In Kapitel 4 werden die Erhebungsinstrumente vorgestellt und deskriptive Auswertungen für alle vier Teilstichproben präsentiert. In Kapitel 5 greifen die Autoren die im zweiten Kapitel entwickelten theoretischen Überlegungen zu den Wirkungen von Bedrohungsgefühlen auf die Mobilisierung rechter Einstellungen auf. Bedrohungsgefühle sowohl auf der kollektiven als auch auf der individuellen Ebene werden als Prädikatoren für das Entstehen von Vorurteilen und Ungleichgewichten in den Intergruppenbeziehun-gen gefasst. Inwieweit ein als bedrohlich wahrgenommener sozialer Wandel autoritäre Einstellungen begünstigt, ist geradezu eine klassische Fragestellung der Autoritarismus-forschung. sie wird in Kapitel 6 untersucht. Unter Gesichtspunkten des strukturwandels kapitalistischer Gesellschaften ist das Konzept des Hierarchischen selbstinteresses (HSI) von besonderem Interesse. Definiert als individueller Ausdruck gesellschaftlicher Dominanzideologien steht dieser Ansatz für ein Wertesystem, das Elemente wie rationelle Lebensführung, Versachlichung, Konkurrenz, Nutzenmaximierung, selbstinteresse und selbstliebe umfasst. Dieses Konzept wurde von Hagan im Zusammenhang mit Untersuchungen zur „Power-Control Theory of Gender and Delinquency" entwickelt und von Hadjar für die soziologisch-sozialpsychologische Ungleichheits- und Rechtsextremismusforschung fruchtbar gemacht. In Kapitel 7 nimmt Hadjar das Konzept zum Ausgangspunkt für die Analyse der sozialen Implikationen des Wandels. In Kapitel 8 stellen die Autoren vertiefende Analysen zur zentralen Fragestellung an, inwieweit die EU-Osterweiterung zu einer Mobilisierung rechter Einstellungen führt. Dabei wird das Bedrohungskonzept als zentraler Ansatz in Beziehung gesetzt zu anderen Ansätzen der Rechtsextremismusforschung wie Desintegration, Deprivation und Autoritarismus.
Wenn man zu Beginn der Lektüre der studie den Eindruck einer etwas holzschnittartigen und auch leicht dramatisierbaren These von der EU-Erweiterung als Mobilisierung für rechte Einstellung erhalten mag, so wird man doch nach den Detailstudien, mit denen verschiedene Aspekte der Genese rechtsextremer, nationalistischer, fremdenfeindlicher und antisemitischer Einstellungen herausgearbeitet werden, eines Besseren belehrt. Neben der überwiegenden Befürwortung der EU-Erweiterung zeigen die Befunde der studie ein ausgesprochen differenziertes Bild. Festzuhalten bleibt, und dies wird dem Leser in dem zusammenfassenden und resümierenden Kapitel noch einmal vor Augen geführt. Weder das Ausmaß an objektiver Desintegration oder Deprivation noch an relativer Deprivation sind dafür ausschlaggebend, dass sich jemand bedroht fühlt und fremdenfeindlich und nationalistisch reagiert. Bei einer starken Minderheit äußern sich die sorgen gegenüber der EU-Erweiterung in einer realistisch-kollektiven Bedrohung (die Wirtschaft des jeweils eigenen Landes ist von der EU-Erweiterung betroffen) und einer symbolisch-kollektiven Bedrohung (die gewachsene Kultur des jeweils eigenen Landes gerät unter Druck). Wer das eigene Land in symbolisch-kollektiver Hinsicht durch die EU-Erweiterung als bedroht erlebt, versucht dies durch einen kompensato-rischen Nationalismus zu bewältigen. Die Tatsache, dass jemand seinen Arbeitsplatz verloren hat, wirkt sich hingegen nicht auf Nationalismus aus.
Aus einer eher grundlagentheoretisch orientierten studie unmittelbar präventive, d. h. politische Maßnahmen abzuleiten bleibt gewiss stets problematisch. Dennoch muss man den Autorinnen und Autoren zugutehalten, dass sie auf der Grundlage der ausgesprochen
differenzierten Befunde ihrer Untersuchung der Politik zwei nachvollziehbare Empfehlungen geben. Die erste zielt auf Bildung. Denn Bildung ist ein starker Faktor, der gegen Autoritarismus und Fremdenfeindlichkeit schützt. Die andere Empfehlung richtet sich auf den Ausbau transnationaler zivilgesellschaftlicher Strukturen. Nach Ansicht der Autoren sollte die Vergabe von Eu-Fördermitteln an grenzüberschreitende Aktivitäten gekoppelt werden. Mit grenzüberschreitenden Bildungsangeboten, der Entwicklung der Verkehrsinfrastruktur und wohnungspolitischen Maßnahmen, mit denen der Zuzug von Bewohnern aus dem östlichen Nachbarland gefördert wird, hat manche Gemeinde durchaus schon gute Erfahrungen gemacht. Alles in allem ist die Studie ein wichtiger Baustein zu einer komparativen Rechtsextremismusforschung. Wer kultur-vergleichende Forschungen zwischen westeuropäischen und osteuropäischen Ländern betreibt, wird an den Ergebnissen dieser Studie nicht vorbeikommen. Bei den nicht gerade einfachen Voraussetzungen für die Stichprobenziehung und Feldarbeit in den osteuropäischen Ländern ist die Vorhersage der Autoren, mit einer weiteren Befragungswelle eine „richtige" Längsschnittstudie vorzulegen, vielversprechend. Dann sollte auch, wie es die Autoren bereits kritisch zu ihrer eigenen Studie anmerken, der Einfluss der Medien überprüft und Kohortenvergleiche angestellt werden. Hinzufügen darf man die Anregung, die Bedeutung der Religion für die nationale Identität zu untersuchen. Während sich die Ostdeutschen geradezu als Weltmeister der Säkularisierung hervortun, erfährt Religiosität in den osteuropäischen Ländern einen Aufschwung. Religion dürfte nicht nur eine Bedeutung für die alltägliche Lebensführung, sondern auch für die nationale Selbstvergewisserung haben.
Religionssoziologie
Lichterman, Paul: Elusive Togetherness: Church Groups Trying to Bridge America's Divisions. Princeton Studies in Cultural Sociology. Princeton/Oxford: Princeton University Press 2005. 348 Seiten. ISBN-13978-0-691-09651-1. $ 22.95 (pb.).
Antonius Liedhegener
Die Frage nach den Bedingungen des gesellschaftlichen Zusammenhalts der stark plu-ralisierten und vielfach fragmentierten Gesellschaft der Vereinigten Staaten hat in den zurückliegenden Jahren eine lebhafte sozialwissenschaftliche Debatte über den Zustand von Zivilgesellschaft und bürgerschaftlichem Engagement und den Bedingungen ihres Erhalts hervorgebracht. Soziologen und Politikwissenschaftler wie Robert Putnam, Morris P. Fiorina, Theda Skocpol, Corwin Smith oder Robert Wuthnow haben die Bedeutung der Zivilgesellschaft für das „Sozialkapital" Amerikas hervorgehoben. Dabei ist die Unterscheidung von zusammenführendem (bridging) und abgrenzendem (bonding) Sozialkapital über die USA hinaus prominent gemacht worden. Ein wesentliches Ergebnis der zahlreichen empirischen Arbeiten der amerikanischen Forschung ist der Befund, dass in den USA Religion in der Form der zahlreichen Denominationen und Kirchengemeinden eine zentrale Ressource zivilgesellschaftlichen Zusammenhalts ist.
Unter dem nicht leicht ins Deutsche zu übersetzenden, weil mehrdeutigen Titel „Elu-sive Togetherness" möchte der an der University of Southern California, Los Angeles, lehrende Soziologe Paul Lichterman diese Debatte in empirischer, methodischer und theoretischer Hinsicht weiterführen. Der empirische Ausgangspunkt dieses ambitionier-ten Vorhabens waren die einschneidenden Änderungen des amerikanischen Wohlfahrtsstaats im Zuge der Welfare-Reform 1996 unter der Präsidentschaft Bill Clintons und deren Konsequenzen für die Sozialarbeit der Kirchengemeinden. Dieses Reformpaket eröffnete religiösen Organisationen mehr Handlungsspielräume, bedeutete angesichts des teilweisen Rückzugs staatlicher Hilfsleistungen aber auch ein Mehr an moralischer und praktischer Verantwortung. Um der Frage nachgehen zu können, wie und mit welchem Erfolg kirchliche Gruppen mit dieser Herausforderung umgehen, hat Lichterman mit den Mitteln der teilnehmenden Beobachtung in einer mittelgroßen amerikanischen Stadt im Mittleren Westen für rund fünf Jahre verschiedene kirchliche Hilfs- und Unterstützungsgruppen aus wohlhabenderen Stadtteilen untersucht, die es sich bewusst zur Aufgaben gemacht haben, durch ihr Engagement Menschen in den armen Vierteln der Stadt zu helfen. Die ausgewählten religiösen Gruppen gehören sowohl den als eher liberal geltenden Mainline-Churches als auch dem konservativen evangelikalen Spektrum an. Unter dem organisatorischen Dach der „Urban Religious Coalition" hatten sich verschiedene Kirchengemeinden zusammengeschlossen, um Angebote wie individuelle Hilfe in Notlagen, Freizeitgestaltung für Jugendliche, Notunterkünfte auf Freiwilligenbasis, Beratung in Finanz- und Familienfragen, Gesundheitsdienste, politische Bewusstseinsbildung zu wirtschaftsethischen Fragen und Vernetzung zwischen Gruppen aus wohlhabenden Kirchengemeinden und Gruppen in einkommensschwachen Stadtteilen auf- und ausbauen zu können. Verglichen mit den bislang vorliegenden, weithin quantitativ ausgerichteten Arbeiten geht Lichterman methodisch in der Tat einen wichtigen Schritt weiter. Anhand der Auswertung seiner Protokolle und Interviews ist es ihm möglich, die Bedingungen für erfolgreiche Formen der Freiwilligenarbeit und damit die Bildung von zusammenführendem Sozialkapital exemplarisch zu erhellen.
Tatsächlich war längst nicht jede Initiative in der Lage, dauerhaft eine positive Beziehung zu den Bewohnern der armen Stadtteile aufzubauen. Trotz eindeutig gutem Willen aller Beteiligten waren wechselseitige Missverständnisse und Frustrationen durchaus verbreitet. In den empirischen Kapiteln wird dies anschaulich demonstriert. Lichterman beobachtete, dass die Art und Weise, wie die Mitglieder der religiösen Gruppen miteinander umgehen, erhebliche Auswirkungen auf Erfolg und Misserfolg hatten. Als zentral macht er im Ergebnis die Fähigkeit der Gruppen aus, reflexiv mit ihren Erfahrungen, ihrer Umgebung und insbesondere ihren Ansprechpartnern umzugehen. Diese Fähigkeit schlage sich vor allem in einer gruppenspezifischen Sprache und gruppenbedingten Umgangsformen nieder. Erst durch diese reflexive Form im Kommunikationsverhalten entstehen Vertrauen und dauerhafte Beziehungen bzw. Aktivitäten. Lichterman schließt daraus, dass es (auch) für religiöse Gruppen zukünftig darauf ankommt, ein besseres Selbstverständnis und einen partizipativen Umgangsstil der Mitglieder untereinander zu entwickeln, um erfolgreich mit anderen Mitgliedern und Gruppen der Gesellschaft in Kontakt treten zu können und positives Sozialkapital hervorzubringen. Methodisch wird man an dieser Stelle feststellen müssen, dass es allerdings weiterer Studien bedarf, um dieser Verallgemeinerung zumindest ein höheres Maß an Plausibilität zu verleihen, als
dies eine einzelne qualititaive studie zu leisten vermag. Einmal mehr zeigt sich also die explorative stärke eines qualitativen Zugangs.
Lichterman ordnet seinen Befund des oftmals nur „flüchtigen" oder „trügerischen Zusammenseins" von Unterstützern und Unterstützten und dessen Überwindung durch dauerhafte, reflexive Kommunikation auch theoretisch ein. Anknüpfend an Alexis de Tocqueville, John Dewey und Jane Addams erhebt Lichterman Einspruch gegen ein strukturalistisches Verständnis sozialer Beziehungen als rahmensetzende, individuelles Verhalten gleichsam erzwingende Bedingung und betont die kommunikative Rolle und Kompetenz des Individuums für die Etablierung sozialer Beziehungen. Kultur im sinne von Gewohnheiten, routinisierten Verhaltensweisen und sprachlichen Konventionen rücken damit ins Zentrum der Aufmerksamkeit. sozialkapital ist nach Lichterman daher eine letztlich nicht messbare Größe (28-30, 250-251). Lichterman benutzt für den Prozess der Verstetigung und Entfaltung von kommunikativen Beziehungen, die zusammenführendes sozialkapital hervorbringen, das im Deutschen seltener verwendete Bild der spirale und meint die folgende Tatsache, dass „civic relationships [are] about doing things together over time with a variety of people" (248 - Ergänzung und Hervorhebung A.L.). Diese Tocquevillesche Lesart der allgemeinen Bedeutung von sitten, Gewohnheiten und routinisierten Umgangsweisen auch im Kontext religiöser Gruppen ist durchaus einsichtig. Man hätte aber gerne mehr darüber erfahren, ob, wie und unter welchen Umständen Religion, und das heißt hier vor allem das christentum in seinen zahlreichen spielarten in den UsA, einen besonderen Beitrag liefert. Die untersuchten Gruppen haben von sich aus nur selten darüber reflektiert (216-246). Quantitative Studien etwa in der Wahlforschung zeigen aber, dass das Gottesbild von Befragten in einem engen Zusammenhang mit politischen Grundüberzeugungen, aber auch Meinungen zu bestimmten politischen Themen und Optionen steht.
Insgesamt ist Lichtermans Buch äußerst anregend und facettenreich geschrieben und ein wichtiger, innovativer empirischer und theoretischer Beitrag zur international geführten Diskussion um Zivilgesellschaft und sozialkapital. Für die bundesdeutsche Forschung, die in der Frage von Religion und Zivilgesellschaft einen erheblichen Nachholbedarf aufweist, stellt sich die Herausforderung, die Entdeckungen und theoretischen Anregungen Lichtermans in Forschungskonzepte zu übersetzen, die die Vorteile der repräsentativen quantitativen Forschung mit jenem besseren Verstehenshorizont verbinden, den qualitative studien zur Bedeutung von Religion und religiösen Gruppenaktivitäten für den gesellschaftlichen Zusammenhalt liefern können.
Familiensoziologie
Konietzka, Dirk, und Michaela Kreyenfeld (Hrsg.): Ein Leben ohne Kinder. Kinderlosigkeit in Deutschland. Wiesbaden: Vs Verlag für sozialwissenschaften 2007. 429 Seiten. ISBN 978-3-531-14933-2. Preis: € 34,90.
Eggen, Bernd, und Marina Rupp (Hrsg.): Kinderreiche Familien. Wiesbaden: Vs Verlag für Sozialwissenschaften 2006. 202 Seiten. ISBN 978-3-531-15187-8. Preis: € 21,90.
Elisabeth Seyfarth-Konau
Der Geburtenrückgang in modernen Gesellschaften, mit Deutschland und der schweiz an der spitze, ist in den letzten Jahren Gegenstand vielschichtiger öffentlicher Diskussionen. Verantwortlich gemacht werden eine verstärkte Karriereorientierung von Frauen, insbesondere von Akademikerinnen, desinteressierte Männer, der moderne Lebensstil oder ebenso pauschal wie speziell die besondere Kinderfeindlichkeit der deutschen Gesellschaft, wobei das Ausmaß der Kinderlosigkeit in Deutschland regelmäßig überschätzt wird. Einer durch Vorurteile bestimmten und mit lückenhaften Daten gespeisten Debatte begegnen die beiden hier zu besprechenden sammelbände mit differenzierten familiensoziologischen Analysen der Geburtenentwicklung. Beide Bände orientieren sich am entscheidungs- und lebensverlaufstheoretischen Paradigma, das heute die (quantitative) demographisch-soziologische Forschung bestimmt. Basis beider Bände sind v. a. amtliche Daten und Befunde repräsentativer Umfragen, die durch eigene Berechnungen und Vergleiche raffiniert und jeweils durch eine qualitative Teilstudie ergänzt werden. Beide Bände setzen sich intensiv mit den Mängeln des Mikrozensus auseinander und schöpfen einfallsreich dessen Potential durch die Kombination mit anderen Datenquellen aus.
Der sammelband zur Kinderlosigkeit basiert auf einem Workshop des Rostocker Max-Planck-Instituts, der zusammen mit einer Reihe von Nachfolgetagungen die überfällige (2008 inzwischen erfolgte) Reform der deutschen statistikgesetzgebung anmahnte. In ihrem vorab besonders hervorzuhebenden einleitenden Beitrag werten die Herausgeber die vorhandenen Daten kohortenbezogen aus, was ihnen für Deutschland, bei allen der bisherigen statistikgesetzgebung geschuldeten Einschränkungen prägnante Ost-West- und internationale Vergleiche erlaubt. Ihre Analyse der Geburtenentwicklung der Jahrgänge 1940 bis 1965 zeigt, dass der Anteil Kinderloser für West- und besonders für Ostdeutschland zumeist beträchtlich überschätzt wurde. Die Lebensverlaufstheorie legt die Einschätzung nahe, dass Kinderlosigkeit eher nicht gewollt und nicht unbedingt Resultat einer bewussten Entscheidung gegen Kinder und Familie ist, sondern Folge von aufgeschobenen Fertilitätsentscheidungen und Nebenfolge anderer Entscheidungen. sie ist allgemein auf ein ganzes Faktorenbündel zurückzuführen, zu dem nicht zuletzt die Dynamik der Paarbeziehungen gehört. Kinderlosigkeit ist zudem historisch weniger neu, als gemeinhin unterstellt, neu ist wesentlich eine veränderte Logik der Entscheidungen und konkret ein verändertes Timing von Erstgeburten.
Der sammelband zu Kinderlosigkeit ist in vier Themenkomplexe gegliedert: Vergleiche der innerdeutschen Entwicklungen mit dem europäischen Ausland, insbesondere mit Frankreich und schweden; die Rolle von Bildungsniveau und Erwerbseinkommen von Frauen; die generativen Motive von Frauen und insbesondere Männern; verschiedene Erklärungsansätze. Das ergibt zwar auf den ersten Blick eine plausible systematik, die dennoch nicht trennscharf genug ist; es gibt zahlreiche Wiederholungen und inhaltliche Überschneidungen der einzelnen Beiträge.
Der zweite sammelband, zu kinderreichen Familien - tatsächlich eine Reihe zusammenhängender Aufsätze, mit wenigen Ausnahmen von den Herausgebern selbst verfasst - beginnt mit einem differenzierten historischen Abriss, der deutlich macht, dass weniger die Kinderlosigkeit als vielmehr der Rückgang großer Familien den nachhaltigen Geburtenrückgang in Deutschland verursacht, ein bis heute zu wenig berück-
sichtigter demographischer Zusammenhang. Im Zentrum steht die empirische Bestandsaufnahme gegenwärtiger Lebenssituationen unterschiedlicher Gruppen und Typen von Familien mit drei und mehr Kindern (Mehrkinderfamilien). Besonders herausgestellt werden der soziale Hintergrund und die Bildungsniveaus der Familien sowie ihre materiellen, alltagspraktischen und wohnlichen Verhältnisse und abschließend typische Entwicklungslogiken.
Die folgenden Punkte scheinen mir geeignet, einen Gesamteindruck der Argumentationen und der Befunde beider Bände sowie ihrer Anregungen für die weitere Forschung zu vermitteln (die Autorenhinweise beziehen sich mit Ausnahme von Eggen und Rupp auf den Band über Kinderlosigkeit).
1) Ein zentrales Problem ist die Frage des generativen Verhaltens von Akademikerinnen. Sie erweisen sich, nicht überraschend, als eine inhomogene Gruppe. Wie insbesondere Neyer et al. am Beispiel Schwedens in einer für zukünftige Untersuchungen richtungweisenden Differenziertheit zeigen, ist weniger das formale Bildungsniveau entscheidend als vielmehr Ausbildungsrichtung, Besonderheiten des Berufsfeldes, die Arbeitsmarktsituation sowie Einkommen und wohlfahrtsstaatliche Maßnahmen. Zunächst überraschende Befunde, wie der, dass Frauen mit männerdominierter Ausbildung (Technik, Naturwissenschaften) und geringer Sicherheit des beruflichen Einstiegs seltener kinderlos bleiben als Frauen mit Ausbildungen in Bereichen mit ausgewogenerem Geschlechterverhältnis (z. B. Geisteswissenschaften) erscheinen konsistent vor dem Hintergrund der Ergebnisse einer Untersuchung der Berufseinstiege junger Akademikerinnen (Schaeper). Danach beschleunigt sich der Übergang zur Mutterschaft sowohl bei schwierigem Arbeitsmarkteinstieg wie umgekehrt bei schneller beruflicher Konsolidierung. Beides dokumentiere das „gewisse Erklärungspotential" des rationalen Handlungsmodells, dem nach Schaeper Akademikerinnen in besonderem Maße folgen (139). Das gilt nicht für die stärker familienorientierten und weniger planenden ostdeutschen Akademikerinnen. Ihr Geburtenniveau liegt nach wie vor über dem der westdeutschen Akademikerinnen (u. a. Boehnke; Bernardi/Keim). Ob sich dies bei den jüngeren Kohorten ändern wird, lässt sich noch nicht abschätzen (Schaeper; Boehnke). Gerade unter westdeutschen Frauen mit Hochschulbildung findet sich andererseits ein Typus kinderreicher Mütter, die berufliche Interessen der Familie nachordnen (Eggen/Rupp). Die Formel „höhere Bildung gleich weniger Kinder" bleibt also in verschiedene Richtungen weiter zu differenzieren, unter anderem im Hinblick auf den Paarkontext, was zum nächsten Punkt überleitet.
2) Als gravierende Lücke bei der bisherigen Erforschung von Kinderlosigkeit stellen die Autoren in Konietzka und Kreyenfeld die fehlende Berücksichtigung des Paarkontextes heraus. Wirth widerlegt die gängige Auffassung einer in der Kohortenabfolge zunehmenden Bildungshomogamie als ausschlaggebend für die Kinderlosigkeit von Akademikerinnen. Mit höherer Wahrscheinlichkeit bleiben vielmehr solche Paare vor allem jüngerer Kohorten kinderlos, bei denen die Frau formal höher qualifiziert ist als der Mann. In der Linie des entscheidungs- und lebensverlaufstheoretischen Paradigmas kommt dabei die Paardynamik als Prozess des Aushandelns und Abstimmens der individuellen Lebensentwürfe in den Blick und folgt, wie pointiert kritisch für Deutschland festgestellt wird, überwiegend dem traditionellen Modell geschlechtsbezogener fami-lialer Arbeitsteilung oder mündet im latenten (Konietzka/Kreyenfeld) oder bewussten
(Kahlert) Verzicht auf Kinder. Es fehlt indes an mikroanalytischen, interpretativen studien über die Prozesse der Feinabstimmung unter den Partnern. sie werden angemahnt und man kann gespannt darauf sein, wie sie theoretisch zu integrieren sein werden. Vorläufig schälen sich heterogene, nach Typenbildung verlangende Paardynamiken heraus: so etwa die frühzeitig übereinstimmenden Partner, die mit hoher Elternschaftsmotivation und Planung familienunfreundliche Bedingungen „kompensieren", prägnant als ein Typus der Mehrkinderfamilie von Eggen und Rupp herausgearbeitet. Bernardi und Keim zeigen für familienorientierte ostdeutsche Akademikerinnen, dass mangelnde Planung auch zur Falle werden kann, die unter ungünstigen Arbeitsmarktbedingungen in Kinderlosigkeit mündet.
3) Besonders schwierig ist die Einschätzung des Kinderwunsches als unabhängige wie als intervenierende Variable. Konietzka und Kreyenfeld gehen wie auch schröder von einem geringen Nutzen dieses Konstruktes aus, solange es nicht im Lebenslaufkontext verortet wird. schröder entwickelt ein entscheidungstheoretisches Modell, das das (im Lebensverlauf wechselnde Gewicht) eines Kinderwunsches in Relation zu beruflichen und anderen Einflussfaktoren setzt, mit dem Ergebnis flexibler oder hartnäckiger Anpassungsstrategien an wechselnde Lebensumstände. Marbach und Tölke wie auch Eckhardt und Klein untersuchen speziell den Kinderwunsch von Männern. Übereinstimmend ergibt sich, dass bei (höher gebildeten) Männern immaterielle Motive und (neben der Existenz) die Qualität der Paarbeziehung für die Umsetzung eines Kinderwunsches entscheidend sind.
Im Gegensatz zu den Herausgebern vertreten Dorbritz und Ruckdeschel die Auffassung, dass der Geburtenrückgang in westeuropäischen Ländern, besonders in Westdeutschland, tatsächlich im niedrigen oder fehlenden Kinderwunsch eines in den letzten Jahren steigenden Personenanteils angelegt sei, einer Entwicklung, die sich zunehmend in die Richtung einer lebensstilverankerten „Kultur der Kinderlosigkeit" verfestige. Diese Deutung relativiert Burkart in seiner kultursoziologisch-zeitdiagnostischen Interpretation der demografischen Krise: Er grenzt den Verlust selbstverständlich eingegangener Elternschaft auf die Angehörigen der Generation nach 1968, vor allem Bildungsaufsteiger, ein, die sich in erster Linie selbst zu verwirklichen suchen. Für die „zukunftsfähige" Familie mahnt er, als Rezeptwissen moderner soziologie, eine neue Balance zwischen (selbstverständlicher) Kinderorientierung und Partnerautonomie an. Ähnlich appellativ schlagen Marbach und Tölke vor, potenziellen Eltern den psychischen Gewinn einer Elternschaft zu verdeutlichen, um Kinderwünsche zu stabilisieren.
4) Die in Öffentlichkeit und Politik meistdiskutierte Frage der Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist oft durch die Verzerrung bestimmt, dass das Problem einseitig als eines der zunehmend erwerbstätigen Frauen gesehen wird. Dagegen rücken hier die zwischen Beruf und Familie polarisierenden Wirkungen sozial- und familienpolitischer Maßnahmen vor allem in Westdeutschland, im Verein mit historisch gewachsenen institutionellen und kulturellen Rahmenbedingungen als objektive, aber nicht unveränderbare strukturen in den Blick, von Boehnke (im Anschluss an Huinink) auf die Formel struktureller Defamilialisierung bei kultureller Familialisierung (und vice versa in Ostdeutschland) gebracht. speziell im Vergleich mit den Vereinbarkeitsbedingungen in Frankreich (Köppen et al.) und nordeuropäischen Ländern, aber auch mit Ostdeutsch-
land vor der Wende erweist sich die westdeutsche Situation als defizitär und prekär (Konietzka/Kreyenfeld; Dorbritz/Ruckdeschel; Stegmann/Mika).
Auf die deutschen Rahmenbedingungen erschwerter Vereinbarkeit ist die vorherrschende, „moderne" Entscheidungslogik der Akteure abgestimmt. Kinderreiche Familien scheren nach Eggen und Rupp aus dieser Logik aus und verkörpern ein Gegenmodell familienzentrierter Lebensführung. Sie finden sich typischerweise am oberen wie am unteren Ende der Bildungs- und Einkommensskala, quantitativ häufiger unter sozial prekären Verhältnissen, oder auf dem Hintergrund kulturell-religiöser Traditionen. Obwohl es sich konkret um ein Auslaufmodell handelt, sehen die Autoren für die kinderreiche Familie prinzipiell eine Zukunftschance dann, wenn es gelänge, die individuelle Entscheidungslogik von der Institution Familie abzukoppeln, indem wohlfahrtsstaatliche Maßnahmen (nach nordeuropäischem Modell) Betreuung und finanzielle Absicherung leisten. Eine zugespitzte Möglichkeit, familiale Aufgaben dergestalt durch „outsourcing" zu bewältigen, deutet Burkart mit dem Gedanken „professioneller" Elternschaft an, ohne diese Variante freilich genauer durchzubuchstabieren; er nennt als „unbehagliche" Implikation die Möglichkeit biotechnologisch gesteuerter NachwuchsProduktion („Zuchtwahl"), diskutiert aber nicht die ebenso unbehagliche Frage etwa zu unterdrückender Kinderwünsche für die Mehrheit der Bevölkerung.
Mit Blick auf den theoretischen Ertrag der einander ergänzenden Analysen zu Kinderlosigkeit und Kinderreichtum bleibt abschließend festzuhalten, dass das Phänomen der generativen Logik sich als ein Schlüsselproblem gegenwärtiger Familiensoziologie erweist. Die hier besprochenen Untersuchungen erheben nicht, wie etwa jüngst Bol-tanski mit seiner allzu raschen These projektförmiger Elternschaft, den Anspruch, es theoretisch abschließend zu durchdringen. Aus Sicht der vor allem mit interpretativen Ansätzen vertrauten Rezensentin bleibt es ein spannendes Unternehmen, die weitgehend unabhängig voneinander arbeitenden familiensoziologischen Paradigmen stärker problemzentriert zu verbinden.
Sozialisation
Beer, Raphael: Erkenntniskritische Sozialisationstheorie. Kritik der sozialisierten Vernunft. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften 2007. 258 Seiten. ISBN 978-3531-15399-5. Preis: € 36,90.
Hartmut M. Griese
Sozialisation gilt seit Jahren als interdisziplinärer Schnittpunkt der Soziologie, Psychologie und Pädagogik und sollte in den 1970er Jahren sogar in den Stand einer eigenen Disziplin, der Sozialisationswissenschaft, erhoben werden. Immer wieder werden daher Versuche unternommen, zu einer neuen oder integrativen Theorie zu gelangen, die theoretischen Ansprüchen genügt, empirisch einigermaßen abgesichert ist und Praxisrelevanz implizieren soll.
Nun gehört der Rezensent zu jener Generation, die sich in den 1970er Jahren bemühte, die Sozialisationsforschung auf ein solides theoretisches Fundament zu stellen, ihre
anthropologischen Prämissen zu klären, ihre unterschiedlichen Theorieansätze zu rekapitulieren, ihr zumeist normatives Erkenntnisinteresse zu hinterfragen und ihre Abhängigkeit von historisch-politischen Phänomenen zu reflektieren (z. B. Sputnik-Schock; Jugendrevolten). Daher beeinflusst mein subjektives Erkenntnisinteresse den Blick auf alle aktuellen studien zum Thema „sozialisation".
Beer verfolgt das „Projekt" „Programm einer Kritik der sozialisierten Vernunft" oder einer „erkenntniskritischen sozialisationstheorie". Er versucht zu klären, inwieweit Menschen „summe ihrer sozioökonomischen Dispositionen" sind oder „autonom" als „Subjekte" handeln und ihre Lebensbedingungen beeinflussen oder verändern können. Er sagt axiomatisch, dass „das subjekt schon subjekt sein muss, um eine subjektive Eigenaktivität generieren zu können" (13). Beer will die klassische Frage der sozialisation mit Blick auf ein „nicht hintergehbares subjekt" (?) neu stellen.
Letztlich geht es um das subjekt(-verständnis) bzw. um die Abgrenzung zum „Paradigma der Intersubjektivität": Was ist „Eigenanteil" des subjekts, was ist gesellschaftliche Determination? Ist der Mensch („homo sapiens") bei Geburt schon eigentätiges konstruierendes subjekt oder wird er erst subjekt durch sozialisation? Oder: Wie kommen Sprache, Geist, Denken, Bewusstsein, Reflexivität etc. in den Menschen? Sind „sozialität" und „subjekt" getrennt oder immer schon gemeinsam (dialektisch) zu denken?
Aus der Perspektive von Beer, einer „philosophischen Erkenntnistheorie", kann der sozialisationsforschung eine „subjektvergessenheit" vorgeworfen werden. Ebenso berechtigt könnte man m. E. der jüngsten sozialisationsdiskussion eine „subjektversessenheit" vorhalten. An eine versöhnende dialektische Herangehensweise scheint Beer nicht zu denken - so wie sie z. B. bei Berger/Luckmann vorliegt. Auf deren „gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit" geht Beer, trotz fast 25 seiten Literaturangaben, nicht ein.
Ausführlich befasst sich der Autor im I. Teil „sozialisierte Vernunft" (21 ff.) mit etlichen sozialisationstheorien (warum nicht mit Freud, die sicher zu den Klassikern gehört?) sowie mit Instanzen und Inhalten der Sozialisation, so dass die Pflicht der Habilitationsschrift genügend zur Geltung kommt. Da Habermas ausführlich referiert wird (32 ff.) und das zu diskutierende Thema „sozialisierte Vernunft" heißt, wundert mich doch, dass dessen Rede zur Verleihung des Hegel-Preises (1974) nicht erwähnt wird („Können komplexe Gesellschaften eine vernünftige Identität ausbilden?").
Im Kapitel „Kritik der sozialisierten Vernunft" unterscheidet Beer zwischen „subjekt" („Begriff der theoretischen Philosophie", Erkenntnissubjekt, das „nicht auf soziale Bezüge angewiesen" ist) und „Individuum" („politischer Ausdruck eines subjekts" - „Ebene der sozialität") (94). Dies hat Folgen, schließlich ist soziologie die „Wissenschaft vom Sozialen". Das subjekt bei Beer ist ein vorsozialisatorisches (vor-soziologisches), a priori gesetztes Abstraktum. Hier fehlt m. E. die philosophisch-anthropologische Diskussion um das Wesen und die Natur des neugeborenen menschlichen Organismus. Wozu gibt es eigentlich Erkenntnisse der „philosophischen Anthropologie"? Wenn sozialisationstheoretisch relevante Autoren wie Plessner, Gehlen und Claessens, Berger und Luckmann oder auch Foucault („Der Tod des subjekts") überhaupt nicht erwähnt werden, wenn anthropologische Diskussionen nicht geführt werden (nach Kant, auf den sich Beer beruft, ist die Frage nach dem „Wesen
des Menschen" die Ausgangsfrage aller Philosophie!), dann kann ich dem Autor in vielen Dingen nicht mehr folgen oder ich sehe die Relevanz des Diskurses um Sozialisation vollkommen anders (vgl. exemplarisch Plessner: „Hier habe ich mit dem Cartesianismus abgerechnet"; die „exzentrische Positionalität" oder „Der Mensch ist Leib und hat Körper" - das alles spielt bei Beer keine Rolle). Das (erkenntniskritische) Subjekt ist geschlechtslos, ahistorisch, ohne Triebe, Wünsche und Bedürfnisse, eben abstrakt - und das „Individuum"?
Beer arbeitet sich dann ideengeschichtlich kenntnisreich, differenziert und ausführlich an etlichen „klassischen Erkenntnistheorien" ab: Descartes, Locke, Leibniz, Berkeley, Hume, Kant, Fichte und fragt, „ob aus diesem Diskurs ein Subjektbegriff abgeleitet werden kann, der logisch vor seiner Einbettung in soziale und materiale Kontexte positioniert ist und der als Fundierung (!H.G.) für die Sozialisationstheorie und -forschung Verwendung finden kann" (150). Zu fragen wäre: Kann ein vor-sozialer (vor-soziologi-scher?) Subjektbegriff Basis einer empirisch orientierten Sozialisationstheorie sein?
Es ist zu klären: Ist der Mensch immer schon Subjekt qua Geburt oder muss er sich, wie Plessner sagen würde, zu dem, was er ist, erst selbst (durch Sozialisation) machen? Diese Denkweise ist Beer aber fremd, er kennt nur ein entweder Intersubjektivität, oder Subjektivität.
Beer findet dann über Husserl den Weg zum „radikalen Konstruktivismus" (u. a. Luhmann). Aber der Konstruktivismus hat (wie die philosophische Anthropologie) keine Sozialisationstheorie - oder kommt der Mensch als „Konstrukteur seiner Wirklichkeit" zur Welt?
Im III. Teil „Erkenntniskritik und Sozialisatiori' (175 ff.) sollen die beiden divergenten Theoriestränge aufeinander bezogen werden. Aus meiner Sicht konstruiert Beer neue Widersprüche, da philosophisch-abstrakte Erkenntnistheorie und empirisch fundierte Sozialisationstheorie nicht widerspruchsfrei zu vermitteln sind.
Ob Beers Hauptziel, einen Subjektbegriff zu (er)finden, der durch den Bezug „zwei differenter (!H.G.) Diskurse aufeinander zum Fundament einer Sozialisationstheorie wird", letztlich realisiert wurde, wage ich zu bezweifeln. Mir ist bis zuletzt nicht klar geworden, wie das (abstrakte erkenntniskritische philosophische) „Subjekt' in das (für die Forschung notwendige „empirisch-soziale Subjekt") Individuum transferiert werden kann oder soll. Ist das der Grund, weshalb Beer auf ein „konkretes Forschungsdesign" verzichtet und die „Operationalisierung des konstruierenden Subjekts in der empirischen Forschung" als zukünftige Aufgaben definiert?
Was bleibt ist eine interessante und differenzierte Auseinandersetzung mit Soziali-sationstheorien und traditionellen Erkenntnistheorien, die dann im Konzept einer „erkenntniskritischen Sozialisationstheorie" zusammengeführt werden (sollen). Es ist eine Habilitationsschrift, eine akribisch recherchierte und kompetent diskutierte Abhandlung unterschiedlicher Bereiche thematischer Bezugswissenschaften. Einen das Erkenntnisziel („Auf dem Weg zum Konstrukt des realitätserzeugenden Subjekts") m. E. präziseren und besser verstehbaren Beitrag in Form eines „programmatischen Aufsatzes" hat Beer 2002 mit dem Titel „Vom realitätsverarbeitenden zum realitätserzeugenden Subjekt. Eine philosophische Fundierung der Sozialisationstheorie" vorgelegt.
Mir fehlen, mit Blick auf sein Erkenntnisinteresse, ein intensives Eingehen auf die „philosophische Anthropologie" sowie die auch gesellschaftstheoretische, sozialkons-
truktivistische und dialektische Weiterführung des intersubjektiven Paradigmas von Mead bei Berger und Luckmann. Aber das ist meine „subjektive" Meinung. Dass der Autor mit dieser schrift die Basis für eine verdiente akademische Karriere gelegt hat, ist dagegen unzweifelhaft.